Musik aus MV
Karoline Kaminski – Die Kraft der leisen Rebellion
Aug 25
Von außen betrachtet wirkt sie ruhig, fast zurückhaltend. Doch sobald Karoline Kaminski zum Piano greift und ihre Stimme erhebt, entfaltet sich eine Welt voller Emotionen, Widerstand und Selbstermächtigung. Die Singer-Songwriterin von der deutschen Nordküste ist dabei, sich mit melancholischem Pop-Rock einen Platz in der Indie-Szene zu erspielen – und das mit einer Klarheit, die unter die Haut geht.
Wenn man von der rauen Nordseeküste kommt, bringt man eine gewisse Sehnsucht nach Weite und Wind mit – und vielleicht auch ein Gespür für das, was zwischen den Tönen liegt. Karoline Kaminski ist an der Nordsee aufgewachsen und lebt jetzt an der Ostsee. „Ich bin im Januar nach Warnemünde gekommen – vorher war ich zwei Jahre in Berlin – und habe sofort gespürt, wie gut mir das tut. Berlin ist laut, schnell, überfordernd. Ich brauche das nicht dauerhaft. Aber ich halte den Kontakt.“
Musikalisch ist die Musikerin eine klassische Autodidaktin. Sie hat sich das Singen und Klavierspielen selbst beigebracht. „Wir hatten ein Klavier im Wohnzimmer, und ich habe einfach nach Gehör gespielt. Kein Studium, keine Noten, nur Gefühl. Später kamen andere Instrumente dazu, und heute arbeite ich eng mit meinem Produzenten Matan Goldstein (Mgold) zusammen, der auch mein Schlagzeuger ist. Ein guter Freund übernimmt Gitarre und Bass. Wir sitzen oft gemeinsam vor dem Laptop, hören rein, probieren aus, bis es passt. So entstehen meine Songs: im Dialog, im Flow.“ Karolines musikalischer Ursprung hingegen liegt in der Klassik. „Meine Mutter hat viel alte Liedermacher gehört, selbst Gitarre gespielt und gesungen, war auch im Chor aktiv. Ich habe die Klassik für mich selbst entdeckt – ganz ohne Druck, einfach aus Neugier und Faszination. Heute ist mein Stil eher PopRock, aber die Tiefe und Struktur, die klassische Musik mitbringt, beeinflusst mich bis heute.“
Neben der Musik hat die junge Frau auch die Welt gereizt. Nach der Nordsee ging’s für sie nach Kiel, wo sie Geographie im Bachelor studiert hatte. Dann folgte Berlin, Marseille – wo sie drei Jahre im kulturellen Bereich gearbeitet hat und unter anderem europäische Projekte geleitet hat – und schließlich ein Master in Kulturwissenschaften, halb in Bremen, halb in Lissabon absolvierte. „Portugal hat mich sofort gepackt. Ich habe dort studiert, online interkulturelle Seminare gegeben und mich in die Stadt verliebt. Aber dann kam Covid, ich wurde 30, war selbstständig und merkte: Ich will etwas Festes. So bin ich zurück nach Berlin, habe einen Job im Musikvertrieb gefunden. Und privat lebe ich die Musik. Ich bin wahnsinnig zufrieden und hätte nie gedacht, dass sich das so gut fügt.“
Musik als Befreiungsschlag
Karolines Songs sind keine leichten Popsongs für den Sommer. Sie sind tiefgründige Momentaufnahmen, oft in Moll gehalten, die von inneren Kämpfen, toxischen Beziehungen und dem Mut zur Veränderung erzählen. Ihre aktuelle EP „I WANT LESS OF YOU“ ist ein musikalisches Tagebuch, das den Prozess des Loslassens dokumentiert – roh, ehrlich und ohne Kompromisse. „Ich schreibe Songs, wenn ich wütend bin, wenn ich traurig bin, wenn ich frustriert bin“, sagt Karoline. „Und manchmal, wenn ich mich befreit habe.“ Diese Authentizität ist spürbar – in jeder Zeile, in jedem Akkord. Mit der Single „GIRLS“, die im März 2025 erschien, setzt Karoline ein klares Zeichen. Der Song ist eine Hymne auf weibliche Solidarität und Selbstbestimmung. Es geht um Konkurrenz, um Unsicherheit, um das Bedürfnis, dazuzugehören und gleichzeitig nicht unterzugehen. „Die Songs sind aus echten Momenten entstanden, manche ganz frisch, andere haben lange in mir gearbeitet. Musik ist für mich ein Ventil, ein Weg, mit Trauer, Wut und Unsicherheit umzugehen. Andere gehen joggen – ich schreibe Songs.“
Bereits 2022 veröffentlichte sie mit „Verde“ ihre erste EP – ein Meilenstein, aber eigentlich nur der Anfang. Musik begleitet sie schon immer. „Ich habe früh begonnen, am Klavier eigene Stücke zu komponieren. Alicia Keys und Tori Amos waren meine ersten musikalischen Vorbilder, und so klangen auch meine ersten Songs: emotional, klaviergetragen, introspektiv. Doch ich wollte mehr ausprobieren, habe Rock für mich entdeckt – und dann kam 2023 Matan. Er hat mich sofort verstanden, musikalisch und menschlich.“
DIY statt Major Label
Karoline Kaminski ist eine unabhängige Künstlerin – im besten Sinne. Ihre Musik erscheint auf Plattformen wie Bandcamp, SoundCloud und Spotify, ganz ohne großes Label im Rücken. Stattdessen wächst ihre Community organisch – getragen von ehrlichen Texten, einer starken Bühnenpräsenz und einer klaren Haltung zur Musikindustrie: lieber klein, aber echt – statt groß und glattgebügelt. In Interviews mit M94.5 Radio oder Musicspots spricht sie offen über diesen Weg. Ihre Songs sind keine Produkte, sondern Prozesse. Und wir dürfen zuhören.
Am 18. Oktober 2025 steht Karoline beim LandesPopFestival in Mecklenburg-Vorpommern auf der Bühne – ein großer Moment. „Ich bin gerade erst hergezogen und war total überrascht, dass ich genommen wurde. Ich freue mich riesig über diese Chance.“ Die Vorbereitung? „Ich bin mit allem zufrieden, wie es ist. Ich will die Musik einfach wirken lassen.“ Für die Zukunft ist sie auf der Suche nach einer festen Bandkonstellation in MV – Schlagzeug, Gitarre, Bass – um ihre Songs auch bei uns live noch intensiver erlebbar zu machen.
ANTJE BENDA
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