Bewusst Leben
Wann haben Sie das letzte Mal geschaukelt?
Aug 25
Ex-Olympionikin Annika Walter arbeitet seit 2024 wieder mit jungen HochleistungssportlerInnen, war von 2014 bis 2020 Inhaberin eines Yogastudios, unterrichtete dort verschiedenste Altersgruppen und gibt heute – aus reiner Freude daran – noch gelegentlich Kurse.
Wenn Sie als erwachsener Mensch schaukeln, mögen Ihnen schöne Kindheitserinnerungen in den Sinn kommen. Ein bisschen Spaß, ein bisschen gute-alte Zeiten. Diese warmen, nostalgischen Gefühle machen glücklich, sagt die Psychologin Felicitas Heyne. Das funktioniert selbst bei Demenz- oder Wachkoma-Patienten, wie eine Studie bereits Ende der 90er-Jahre an der US-Universität Rochester zeigte. Das Schaukeln eine neurologische Wirkung. Sanfte rhythmische Schaukelbewegungen entspannen die Muskeln und es werden Endorphine ausgeschüttet. Darüber hinaus wirkt sich das Schaukeln insbesondere auf das vestibuläre System positiv aus. Das vestibuläre System, ein Teil des zentralen Nervensystems, ist für das Gleichgewicht und die Verarbeitung von Reizen zuständig. Rhythmische Bewegungen und die Wirkung der Schwerkraft, wie beim Schaukeln, wirken da in bester Weise. Es trägt dazu bei, Ruhe und ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, Gefühle von Frustration, Angst und Anspannung nehmen ab. Ein weiterer Teil des Nervensystems ist das parasympathische Nervensystem. Diese Nerven sorgen für Ruhe, Entspannung und Erholung. Sie verlangsamen unter anderem die Herzfrequenz und die Atmung. So viel zum Stressabbau. Regelmäßiges Schaukeln soll außerdem dabei helfen, Schmerzen zu lindern – auch das zeigte die US-Studie aus Rochester. Und es geht noch weiter mit den positiven Effekten: Wiegen und Schaukeln spielen eine wesentliche Rolle in der Entwicklung des Gleichgewichtssinns, schon beginnend im Mutterleib und sorgen dafür, dass das Gleichgewichtsorgan ständig in Bewegung ist und eine Vielzahl von Informationen über Position, Gravitation und Bewegung erhält. Diese Unmengen an Reizen sind bedeutsam für die Schaffung neuer neuronaler Verbindungen und fördern die sensorische Integration. Später lernen Kinder durch das Schaukeln, ihre Bewegungen gezielt zu steuern. Jedes Mal, wenn ein Kind mit Genuss hin und her schwingt, verbessert es seine motorischen Fähigkeiten – und das völlig spielerisch. Das gute, alte Schaukeln verbessert den Sinn für Gleichgewicht, Stabilität, Richtung, Koordination und macht so viel Spaß. Warum haben wir als Erwachsene also damit aufgehört? Was für Kinder gut ist, kann für Erwachsene doch nicht schlecht sein, oder wie war das? Zeit, wieder in das Schaukeln einzusteigen! Auf dem Spielplatz, im Schaukelstuhl, im Garten auf der Hollywoodschaukel … völlig egal. Forscherinnen und Forscher sind sich schon seit längerem einig: Schaukeln macht schlau, fit und glücklich. Das ständige Hin und Her von Gewicht und Schwung trainiert Gleichgewichtssinn und Muskeln, Konzentration und Lernfähigkeit steigen ganz nebenbei, das Hirn bekommt einen Glückshormoncocktail de lüxe. Die Knochen werden gestärkt und der Sauerstoffgehalt im Blut gesteigert. Das rhythmische Vor- und Zurück des Körpers, erfordert Koordination und ein gutes Zusammenspiel von Muskeln und Gehirn. Manchen wird auf der Schaukel allerdings übel. Schuld ist das Gleichgewichtsorgan in unseren Ohren. Sind wir lange nicht mehr geschaukelt, fehlt unserem Gleichgewichtssinn das Training. Erwachsen sind außerdem stärker als Kinder gewohnt, sich im Zusammenspiel von Augen und Sinneseindrücken zu orientieren. Das Schaukeln „stört“ diese gewohnte Verortung im Raum. Gegen die Übelkeit hilft dann, das Auge auf einen festen Punkt in einiger Entfernung zu richten – und Üben. Schaukeln trainiert den Gleichgewichtssinn, der für viele alltägliche Bewegungen – vom Laufen bis zum Radfahren – unerlässlich ist. Das Gehirn verarbeitet dabei kontinuierlich Informationen über die Bewegungen des Körpers, die Lage im Raum und die Schwerkraft. Dies fördert die Fähigkeit, Balance zu halten und sich sicher zu bewegen. Grund genug, mal wieder einen Spielplatz anzusteuern und ein bisschen kindisch zu sein.
Alles Liebe! Annika Walter
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