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Luciafest – Das Licht in der dunklen Jahreszeit
Dez 25
Wenn die Tage kurz werden und die Nächte in Nordeuropa lange Schatten werfen, zieht das Licht ein: Am 13. Dezember feiern Schweden, Norweger und zunehmend auch Menschen in Deutschland den Lucia-Tag. Mädchen in weißen Gewändern mit roten Schärpen und Kerzenkränzen auf dem Kopf ziehen singend durch Schulen, Kindergärten, Kirchen oder Stadtstraßen.
Begleitet werden sie von Sternenjungen in spitzen Hüten, die in ihrem Gefolge den Gesang ergänzen. Für Außenstehende wirkt der Brauch fast märchenhaft – doch hinter der festlichen Ästhetik steckt eine jahrhundertealte Tradition, die Geschichte, Religion und Volkskultur auf besondere Weise verbindet.
Die historische Figur der heiligen Lucia von Syrakus, der das Fest seinen Namen verdankt, lebte im dritten Jahrhundert in Italien. Die Legende erzählt von ihrem selbstlosen Einsatz für die Armen und ihrer unerschütterlichen Treue zum christlichen Glauben, für die sie den Märtyrertod erlitt. Schon früh wurde sie als Lichtträgerin dargestellt, eine Symbolfigur, die Orientierung und Hoffnung spendet – gerade in der dunkelsten Zeit des Jahres.
Dass der Lucia-Tag vor allem in Schweden populär wurde, hängt mit der Wintersonnenwende zusammen: Vor der Kalenderreform war der 13. Dezember der kürzeste Tag des Jahres, ein Moment, an dem der Rückkehr des Lichts besondere Bedeutung zukam. Die ersten dokumentierten Feierlichkeiten reichen in das 18. und 19. Jahrhundert zurück, als weiße Kleider, rote Bänder und Kerzenkränze erstmals regelmäßig im schulischen und kirchlichen Kontext getragen wurden. In dieser einfachen, aber symbolisch starken Form verbreitete sich das Fest in Schweden von der Kirche in die breite Bevölkerung.
Im 20. Jahrhundert wandelte sich Lucia von einem kirchlichen Brauch zu einem festen Bestandteil der schwedischen Alltagskultur. Schulen und Kindergärten begannen, eigene Feierlichkeiten zu organisieren; öffentliche Veranstaltungen in Städten und Gemeinden wurden üblich. Mädchen, die die Rolle der Lucia übernehmen, werden oft lange im Voraus ausgewählt und proben ihre Lieder und Abläufe sorgfältig. Diese Rituale betonen Disziplin, Gemeinschaft und die ästhetische Wirkung: Die Kombination aus Kerzenschein, weißem Gewand und getragenem Gesang erzeugt eine fast sakrale Atmosphäre.
Gleichzeitig hat sich der Lucia-Tag an die gesellschaftliche Realität angepasst. In multikulturellen Schulen Skandinaviens wird diskutiert, wie das Fest für Kinder unterschiedlicher Herkunft und Religion zugänglich bleiben kann. Oft wird der religiöse Aspekt abgeschwächt, während die symbolische Lichtbotschaft erhalten bleibt. Das Fest wird so zu einer universellen Feier von Hoffnung, Gemeinschaft und Wärme in der dunkelsten Jahreszeit – eine pragmatische und zugleich poetische Modernisierung eines historischen Rituals.
Auch die mediale Präsenz hat den Lucia-Tag geprägt. Live-Übertragungen aus schwedischen Schulen erreichen Millionen Zuschauer weltweit. Die Auftritte der Lucia in Stockholm oder Göteborg werden in sozialen Medien geteilt, viral verbreitet und sorgen dafür, dass das Fest weit über Skandinaviens Grenzen hinaus bekannt wird. Dennoch bleibt der Kern unverändert: Es geht um das Licht in der Dunkelheit, um die symbolische Kraft eines Rituals, das Menschen emotional berührt und gleichzeitig kulturelle Identität stiftet.
Künstlerisch betrachtet fasziniert der Lucia-Tag durch seine visuelle und akustische Wirkung. Das Spiel aus Kerzenlicht und Schatten, die ruhigen Melodien, die Kombination von traditioneller und modern arrangierter Musik erzeugen eine besondere Stimmung. Viele Menschen, besonders in Skandinavien, verbinden mit Lucia Kindheitserinnerungen, familiäre Rituale und das Gefühl von Geborgenheit. In der hektischen Vorweihnachtszeit bietet das Fest einen Moment des Innehaltens, der Reflexion und des gemeinsamen Erlebens.
International gewinnt der Lucia-Tag ebenfalls an Bedeutung. Schulen, Kirchen und Kulturinstitutionen in Deutschland, Großbritannien oder den USA übernehmen den Brauch und passen ihn teilweise an lokale Gegebenheiten an. Die universelle Botschaft – Licht, Gemeinschaft, Hoffnung – macht das Fest zu einer sinnstiftenden Tradition, die unabhängig von Religion und Herkunft Menschen zusammenbringt.
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