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Ein Städtetrip nach Chemnitz
Nov 25
zwischen Industriekultur, Kulturhauptstadt-Flair und kulinarischen Entdeckungen – Wer eine Städtereise abseits der üblichen Touristenpfade plant, sollte Chemnitz unbedingt auf dem Zettel haben. Die Stadt in Sachsen überrascht mit spannender Geschichte, lebendiger Kultur, moderner Architektur und vielfältigen Freizeitmöglichkeiten – und das Beste: Die Anreise ist überraschend unkompliziert.
Von Warnemünde gibt es eine Direktverbindung mit dem Zug, die ohne Umstieg nach Chemnitz führt. Eine entspannte Fahrt durch Norddeutschland und Sachsen – perfekt, um schon unterwegs in den Entspannungsmodus zu schalten. Ob mit dem Zug, Auto oder Fernbus – ein Trip lohnt sich auch für ein verlängertes Wochenende.
Unter dem Motto „C the Unseen“ richtet Chemnitz den Blick auf das Verborgene: auf Menschen, Orte und Geschichten, die jenseits der großen Bühnen liegen – und gerade dadurch den Charakter dieser Stadt ausmachen. Statt auf spektakuläre Neubauten setzt das Kulturhauptstadtprogramm auf Teilhabe, Nachbarschaft und gemeinsames Schaffen. Es ist ein Konzept, das die Stadt und ihre Region verbindet: 38 Kommunen in Sachsen und Nordböhmen beteiligen sich an dem europaweit einzigartigen Kulturprojekt.
Eine Stadt wird Bühne
Mehr als 1.000 Veranstaltungen prägen das Kulturjahr: internationale Ausstellungen, Theater- und Musikfestivals, Performances, Bürgerprojekte und Workshops. Auffällig ist, wie oft sich Kunst in den öffentlichen Raum wagt – in leerstehende Fabrikhallen, auf Plätze, in Hinterhöfe und Straßen. Kultur in Chemnitz ist 2025 kein distanziertes Ereignis, sondern Teil des Alltags – offen, spontan und nahbar.
Zu den künstlerischen Höhepunkten zählte die Ausstellung mit Werken des norwegischen Malers Edvard Munch, der einst selbst mehrfach in Chemnitz arbeitete. Seine Verbindungen zur Region, insbesondere zu Künstlern wie Karl Schmidt-Rottluff, schlagen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Moderne. Noch nach dem Ende der Schau zeigt die Kunstsammlung Chemnitz eine umfangreiche Präsentation der Brücke-Künstler – ein Muss für Liebhaber expressionistischer Kunst. Auch die Ausstellung „Hallenkunst“ in der Markthalle Chemnitz sorgte für Aufmerksamkeit. Sie dokumentiert die Entwicklung urbaner Kunstformen – von Graffiti über Pop Art bis hin zu digitaler Street Culture – und schlägt eine Zeitlinie von 1970 bis 2025. Über 70 Künstlerinnen und Künstler zeichnen nach, wie sich aus subkultureller Bewegung eine prägende Ausdrucksform der Gegenwart entwickelte. Ein Format, das mit seinem dokumentarischen Ansatz durchaus auch andernorts, etwa in Rostock, Anklang finden könnte.
Der PURPLE PATH – Kunst in Bewegung
Ein weiteres zentrales Projekt ist der PURPLE PATH, ein Kunst- und Skulpturenweg, der Chemnitz mit 38 umliegenden Gemeinden verbindet. Entlang industrieller Denkmäler und Landschaften erzählen zeitgenössische Skulpturen Geschichten von Arbeit, Solidarität und Veränderung – von der Montanregion bis in die Gegenwart. Der Weg wird zum kulturellen Rückgrat der Region, das auch nach dem Kulturjahr Bestand haben dürfte.
Wer dem PURPLE PATH folgt, gelangt zwangsläufig ins Erzgebirge – eine Region, die mit ihren Traditionen, ihrer Handwerkskunst und ihrer Atmosphäre wie ein Gegenpol zur urbanen Energie Chemnitz’ wirkt. Hier entstanden die weltbekannten Räuchermännchen, Schwibbögen und Nussknacker. Über 800 Jahre Bergbaugeschichte haben die Landschaft geprägt, während heute Wanderwege, Loipen und Skigebiete rund um Oberwiesenthal zum Naturerlebnis einladen. Dazu kommt die herzhafte erzgebirgische Küche – bodenständig, kräftig und ehrlich.
Zwischen Beton und Bauhaus
Architektonisch zeigt Chemnitz eine bemerkenswerte Vielfalt. Einst als „sächsisches Manchester“ bekannt, zeugen Fabrikhallen und Gründerzeitbauten bis heute vom industriellen Aufschwung des 19. Jahrhunderts. Besonders der Kaßberg, eines der größten Gründerzeitviertel Europas, beeindruckt mit seinen prachtvollen Fassaden. Dem gegenüber steht die klare Moderne: das Staatliche Museum für Archäologie (smac) im ehemaligen Kaufhaus Schocken – ein Bauhaus-Meisterwerk und Sinnbild für die kulturelle Erneuerung der Stadt.
Kulinarisch – von traditionell bis international
Auch kulinarisch zeigt sich Chemnitz vielseitig. In Restaurants wie dem „Emmi“ erlebt man klassische sächsische Hausmannskost, während die „Villa Esche“ regionale Produkte modern interpretiert – in einem der bedeutendsten Jugendstil-Ensembles Sachsens. Wer es internationaler mag, findet im „Espitas“ mexikanische Küche in lockerer Atmosphäre. Die Gastronomie der Stadt bleibt dabei stets authentisch – bodenständig und gastfreundlich zugleich.
Sport frei
Neben Kunst und Kultur versteht sich Chemnitz auch als Sportstadt. Die NINERS Chemnitz, erfolgreiches Basketballteam in der Bundesliga, begeistern ihr Publikum mit Leidenschaft und Teamgeist – auch in spannenden Duellen gegen die Rostocker Seawolves. Der Chemnitzer FC, gegründet 1966 als FC Karl-Marx-Stadt, steht für Fußballtradition und eine treue Fanbasis. Ein Hinweis für Besucher: Im Stadion an der Gellertstraße gilt noch das Prinzip Bargeld – ganz im Sinne erzgebirgischer Bodenständigkeit.
Ein Städtetrip nach Chemnitz bietet mehr, als viele erwarten würden. Die Verbindung aus kultureller Vielfalt, architektonischer Gegensätze und sächsischer Gastfreundschaft macht die Stadt zu einem echten Geheimtipp.
Noch bis Ende November finden Veranstaltungen in Chemnitz statt. Am Samstag, den 29. November, wird mit dem Beginn der Adventszeit der offiziellen Abschluss des Kulturhauptstadtjahres gefeiert. Den Auftakt bildet die traditionelle Bergparade in der Chemnitzer Innenstadt.
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