Magazin
Vor 80 Jahren in Warnemünde: Regenbogen zum Kriegsende
Mai 25
Der Befehl „Regenbogen" war ein deutscher Befehl während des Zweiten Weltkriegs, der von Großadmiral Karl Dönitz am 30. April 1945 ausgegeben wurde. Er besagte, dass alle Schiffe und U-Boote zu versenken sind, die nicht für die Fischerei oder zum Minenräumen benötigt werden, um sie nicht den Alliierten übergeben zu müssen. Auch einige U-Boote in den Gewässern vor Rostock traf das Schicksal zum Kriegsende.
Endphase des Krieges – Deutschland stand kurz vor der Kapitulation, und die deutsche Kriegsmarine hatte keine Chance mehr, den Krieg zu beeinflussen. Ihre Marine wollte verhindern, dass die eigenen U-Boote von den Alliierten übernommen und genutzt wurden. Viele U-Boot-Kommandanten befolgten nun den Befehl „Regenbogen“ und versenkten ihre Boote, vor allem in Häfen wie Flensburg, Kiel, Wilhelmshaven und Hamburg. Insgesamt wurden über 200 U-Boote von ihren eigenen Besatzungen versenkt. Nur wenige Kommandanten ignorierten den Befehl oder ergaben sich direkt den Alliierten.
Nach Hitlers Selbstmord am 30. April 1945 übernahm Karl Dönitz als Staatsoberhaupt die Führung und versuchte, einen geordneten Rückzug und eine Kapitulation gegenüber den Westalliierten zu erreichen. Am 4. Mai 1945 wurde der Befehl „Regenbogen" offiziell widerrufen, nachdem Dönitz eine Teilkapitulation anordnete.
Das Ganze war Teil der letzten chaotischen Tage des Dritten Reichs, als verschiedene Teile des Militärs entweder kapitulieren oder versuchen mussten, sich selbst der Gefangenschaft zu entziehen.
Befehl Regenbogen in Warnemünde – Erinnerungsbericht von Adolf Reimann
„Meine Erinnerungen gehen bis ins Jahr 1945. Als wir im Februar Warnemünde anliefen, hinter uns verließen wir Stettin, Swinemünde das eigene Minenfeld in der Greifswalder Oie mit dem U-Boot 612, auf dem ich als Bootsmaat Nr. 1 tätig war. Wir fuhren im Konvio. Drei U-Boote der 7cer Klasse und das Passagierschiff, Wohnschiff „Hansa“ liefen uns voraus. Beim Anlegen am Kai eine furchtbare Detonation auf dem Wasser vor der Hafeneinfahrt. Die „Hansa“ war durch eine Unterwassermine getroffen worden. Die „Hansa“ war ein 25.000 Tonnen großes Passagierschiff, das seinen letzten Liegeplatz in Gotenhafen hatte – dort machte ich meine U-Boot-Ausbildung. Sie lag neben der „Wilhelm Gustloff“, die mit 7.000 Menschen vom russischen U-Boot getroffen in der Ostsee am 20. Januar 1945 versank.
Es gab keine Menschenverluste auf der „Hansa“ – alle konnten gerettet werden. Ein Großteil der Lebensmittel wurde per Boot an Land geholt und in Magazine verstaut. Erstmals ein kurzer Aufenthalt in Warnemünde in der Nähe des Zollhauses am Kai. Laufend fuhren Güter- und Personenzüge – Frauen, Kinder, Greise – aus Berlin, die durch amerikanische Fliegerangriffe ausgebombt worden waren. Sie wollten in Warnemünde Aufenthalt nehmen. Kaum Gepäck, so verbrachten sie zwischen den Bahnsteigen – ihre Unterkunft – verhärmt und voller Leid, das konnte man den Flüchtlingen ansehen. Die Kinder zogen wir mit ein in unsere Bordverpflegung.
Der Aufenthalt in Warnemünde war relativ kurz. Es zog uns weiter auf dem Seewege in Richtung Kiel durch den Kanal nach Brunsbüttel und Kurs auf Hamburg. Als wir auf dem Kanal waren, konnten wir den Luftangriff auf Hamburg erleben. Es war ein schwerer Bombenangriff. Als wir im U-Bootbunker in Finkenwerder festmachten, sahen wir eine brennende Stadt. Es war der letzte Bombenangriff der englisch-amerikanischen Luftwaffe und der schwerste. Er kostete tausenden Kindern, Frauen und Männern das Leben.
Aber die Reeperbahn blieb bis auf einige wenige Zerstörungen noch erhalten. Der letzte Besuch im TRICHTER war für uns Kameraden eine Wohltat und konnte über manches hinwegsehen! Ich lernte Hamburg schon 1937 kennen – als 15-Jähriger übernächtigte ich auf der HEIN-GODEWIND, besuchte den ST. MICHEL auf dem Turm und konnte das friedliche hamburgische Erlebnis wohltuend genießen. - Und wie sah es im Februar 1945 aus? – Und wieder zog es uns nach Rostock, der Weg führte uns über den Großen Belt an Dänemark vorbei bis zum Stützpunkt Seehafen – Seestadt Rostock. Der Blick ging in südliche Richtung Neptunwerft, zum Teil zerbombt, vorbei an den Landeplätzen und Flugzeughallen der Heinkelwerke. Die Neptunwerft wird mir unvergesslich sein. Es war üblich die seemännische Wache beim Einlaufen in den Hafen am vorderen Oberdeck bis zum Festmachen der Boote an der Schnickmannstraße antreten zu lassen. Aber wie sah Rostock aus? Ein Trümmerfeld dort, wo die Speicher standen, die Kirchen und Dome St. Petri und Jakobi waren Ruinen. Die hanseatischen Bauten in der Innenstadt waren Opfer der Bombennacht April 1942. Wer hätte das gedacht, dass Rostock meine zweite Heimat werden sollte. Es sollte einmal so schön sein, wie ich es damals als 14-Jähriger erlebte.
Der grauenhafte Krieg hatte ernsthafte Folgen, z.B. ein „Kreuzer“ aus der Schichau-Werft Elbing, noch nicht ganz fertig, musste im Rohbau die aus dem KZ-Lager Stuthof kommenden Menschen verladen wie Vieh. In kahlen, ungeheizten Räumen fuhren sie auf See von Elbing nach Rostock. Das Kriegsschiff wurde angeschleppt und neben unserem Boot festgemacht.
KZ-Häftlinge bekamen wir nicht zu sehen. Sie wurden per Eisenbahn oder LKW evtl. nach Neustadt auf die „Kap Arkona“ verladen.
Bei unserem U-Boot gab es einen Maschinenschaden. Der Diesel wurde ausgebaut. Der LI wurde nach Hamburg zur Werft abkommandiert, um Ersatzteile zu holen. Es kam nicht wieder zurück. Das Boot war manövrierunfähig und wurde nach Warnemünde abgeschleppt zu unserem alten Liegeplatz am Zoll. Inzwischen neigte sich der Krieg dem Ende zu. Von ferner hörten wir den Kanonendonner. Es war der 28. April. Mit einem Torpedoboot wurde die Besatzung von U-612 nach Neustadt transportiert. Der Kommandant beauftragte 3 Mann mit der Selbstversenkung (ein Obermaschinist, ein Bootsmaat und ein Obergefreiter). Die persönlichen Sachen wurden in Seesäcke verpackt. Dazu gehörten auch Schallplatten, Bettzeug, Lederuniformen und Ausgehuniformen. Beim Hausmeister der Fritz-Reuter-Schule wurden die Sachen sichergestellt. Im August, als ich Warnemünde wieder besuchte, wollte ich mein persönliches Eigentum abholen. Ich sah vor dem Zollhaus im Warnemünder Hafen, 100 Meter vom Kai entfernt, das U-Boot 612, aus dem Wasser ragte noch der Turm.“
(Ein Erinnerungsbericht von Adolf Reimann (geb. 1921), der auf U-612 als Bootsmaat diente. Das U-Boot wurde am 2.5.1945 unter Kommandant H.P. Dick im Warnemünder Hafenbecken beim Zollamt selbst versenkt. Später malte Adolf Reimann das Bild mit dem U-Boot 612. Beides stammt aus dem Archiv des Heimatmuseum Warnemünde.)
Weitere versunkene U-Boote vor Warnemünde
U 929
Gebaut wurde das U-Boot 1942/43 auf der Neptun Werft in Rostock. U 929 diente als Schießstandboot bei der Torpedo-Versuchsanstalt in Rostock. Dort wurde es im April 1945 außer Dienst gestellt und die Besatzung nach Neustadt verlegt. Am 01.05.1945, in Warnemünde, wurde es bei der Aktion Regenbogen, selbst versenkt.
U 1308
Das U-Boot wurde am 01.05.1945, vor Warnemünde, bei der Aktion Regenbogen, selbst versenkt. Nachdem U 1308 im April 1953 wieder schwimmfähig gemacht worden war, wurde es zur Volkswerft Stralsund geschleppt, dort wurde als irreparabel befunden und 1954 abgewrackt.
Kommandant Heinrich Besold, Jahrgang 1920, war scheinbar bis zu seinem Tod am 28.12.2018 mit dem Schicksal der Aktion verbunden, so zierte der Warnemünder Leuchtturm seine Todesanzeige im Hintergrund.
U 2344
Die Volksmarine der DDR hatte großes Interesse an den alten U-Booten und barg noch weitere U-Boote.
Bereits am 18. Februar 1945 kollidierten nördlich von Heiligendamm zwei deutsche U-Boote. Das U 2344 und das U 2336. Elf Mann der Besatzung des U 2344 sind dabei ertrunken, drei überlebten die Kollision.
U 2344 wurde nach seiner Hebung zur Neptun-Werft in Rostock gebracht. Im Boot fand man Skelette von fünf Besatzungsmitgliedern. Das Boot selbst hatte einen 250 cm langen und 20 cm breiten Riss an der Steuerbordseite des Rumpfes und eine eingebeulte Turmstirnseite, was eine Restaurierung des Bootes unmöglich machte. 1958 wurde auch dieses Boot abgewrackt, die Dieselmaschine und die E-Maschine sind noch heute im Marinemuseum Dänholm in Stralsund ausgestellt.
/*