Man könnte ihn für aufgeblasen halten - und maßlos selbstverliebt. Steffen Schneider sagt so Sachen wie: „...das ZDF rief an und ich bin spontan mit Britta Kamrau nach Hawaii geflogen.“ Und: „... Egal wo ich hinkomme, alle Leute mögen mich sofort“. Oder auch: „...Und dann haben wir in Botswana das erste staatliche Fernsehen aufgebaut...“ Aber wie er so da sitzt, in schlumpigem T-Shirt, leicht knautschigem Gesicht und einem gut gelaunt die Hand entgegen streckt – wirkt er so gar nicht wie ein „ich-hab-eigentlich-keine-Zeit-weil-ich-so-wichtig-bin“ Fernseh-Heini, sondern einfach wie der nette Typ von nebenan. Einer, den man guten Gewissens fragen kann, ob er die Katze füttert, wenn man selbst im Urlaub ist. Ja, man mag ihn sofort.
Steffen Schneider ist Journalist und Reportage-Autor aus Rostock. Der
42jährige tourt durch die Welt, reist nach Peru, Alaska und Polynesien
und dreht Dokumentationen für Discovery Channel, Arte, Vox und diverse
andere TV-Sender. Und das erste, was er bei unserem Treffen sagt, ist:
„Also, einen Beruf hab ich eigentlich nicht.“
Steffen Schneiders Lebenslauf ist der Traum eines jeden
Journalismusstudenten: In Rostock aufgewachsen sollte nach der Schule
eigentlich ein Schiffstechnik-Studium folgen. Dazu hatte er aber keine
Lust. Mehr oder weniger durch Zufall landete er bei den „Norddeutschen
Neuesten Nachrichten“ und wurde Lokalredakteur. Als die Wende kam, ging
er zur Hamburger Morgenpost und dann zum NDR. Eines Tages wurde dort in
der Doku-Redaktion ein Autor gesucht und Steffen Schneider begann
Reportagen zu drehen. Nebenbei gründete er zusammen mit einem Freund
die Produktionsfirma Looks und studierte in Rostock Anglistik. Das
Fernsehen wurde immer mehr, Studium immer weniger und so schmiss
Steffen irgendwann die Uni und reist seitdem mit Kameramann und
Notizzettel durch aller Herren Länder.
0381: Ohne je eine Ausbildung abgeschlossen zu haben, hast du einen
ziemlich reibungslosen Lebenslauf. Das hört sich alles ein bisschen zu
unkompliziert an.
Steffen: Na ja, das war damals 'ne andere Zeit, so kurz nach der
Wende. Als der NDR das alte Funkhaus in Rostock übernommen hatte,
wurden scharenweise Leute entlassen, die politisch vorbelastet waren.
Die Redaktion war fast leer. Ich hab da einfach auch Glück gehabt. Aber
ich wollte auch immer. Wenn ein Anruf kam: „Wir haben da ein
Filmprojekt, aber es dauert sehr lange, ist mitten im Sommer und du
verdienst wenig.“ – hab ich ja gesagt.
0381: Du wohnst in der KTV, bist verheiratet und hast vier Kinder.
Und gondelst trotzdem ständig in der Weltgeschichte herum. Was zieht
dich?
Steffen: So viel bin ich auch wieder nicht unterwegs. Ich mag
Rostock total gerne, habe hier die Kinder und meine Frau. Ohne die ich
übrigens diesen Beruf nicht machen könnte. Was mich zieht, weiß auch
nicht so genau. Lass es mich so erklären: Ich bin mal, kurz nachdem ich
aus Botswana kam, für eine ZDF-Sportreportage nach Hawaii gefahren.
0381: Angeber...
Steffen: Wieso?
0381: Dir ist doch bewusst, wie das auf Andere wirkt, wenn du sagst – „dann bin ich mal eben nach Hawaii geflogen...“?
Steffen: „Nee, eigentlich nicht. Ganz ehrlich. Was ich sagen
wollte: ich kam aus Botswana zurück, fuhr nach Hawaii und bin dann nach
Mainz zur Abnahme. Fuhr nach Frankfurt, ging in einen Club und dachte:
Krass, jetzt bist du hier und morgen trinkst du dein Bier schon wieder
in Gaborone, Botswana. Was für ein tolles Leben. Das ist so der Thrill
des Ganzen.
0381: Verliert man da nicht die Bodenhaftung?
Steffen: Nein. Ich bin ja nie mit meiner Wurzel weg. Außerdem
kommt ja noch die Abnahme beim Sender. Da sitzen die Leute entspannt im
kleinen Ledersessel und sehen nur noch das Ergebnis. Und das muss ins
Senderaster passen, Quote bringen und gut aussehen. Diese Ledercouch
hast du auch im Ausland immer im Kopf, ob du in Costa Rica am Strand
stehst oder in Finnland bei Minus 20 Grad.
0381: Einer deiner schlimmsten Drehs?
Steffen: Wir waren mal auf Kiribati, das ist eine kleine
Inselgruppe zwischen Fidschi und Hawaii. In Australien fingen die
Probleme schon an, denn der Zoll kassierte unser komplettes Equipment.
Erst nach stundenlanger Diskussion hatten wir es wieder und flogen
zerknirscht nach Kiribati. Als wir ankamen stellten wir fest, dass
unsere Fluggesellschaft pleite und dass das der letzte Flug war. Wir
saßen also fest.
Der Dreh war für MareTV: Also tolle Bilder, viel Emotion, es sollte ein
Südseetraum werden. Aber Kiribati war ein einziger kopletter Haufen
Müll. Total überbevölkert und alle nur besoffen. Wir wohnten in Merry's
Motel, einer Dreckbude mit 'nem betrunkenen Chinesen als Chef. Eines
morgens wurde ich plötzlich angerufen. (Das Telefon war in der Küche
des Hotels und neben dem Hörer saß 'ne Ratte.) Mein Kumpel Gunnar aus
Rostock war dran und sagte, es gäbe ein Problem mit der letzten
Produktion. Ich hatte gerade eine Reportage über eine Falkenklinik in
Dubai für den Discovery Channel beendet. Gunnar meinte, dass der
Redaktion mein Text nicht gefiele. Das wäre der letzte Scheiß und ich
müsste alles noch mal machen. Da saß ich nun auf einer zugemüllten
Insel, kam nicht weg, meine Anschlussproduktion verschwand in weite
Ferne und das abgeschlossene Ding war auch Müll. Ich hockte in dieser
ekligen Küche zusammen mit Kleinnagern und hätte heulen können. Aber so
was passiert öfter mal. Da musst du einfach durchhalten.
Birke Scheffler
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