Volkstheater-Intendant und Regisseur Sewan Latchinian inszeniert Heinrich von Kleists Lustspiel "Der zerbrochne Krug" auf dem VORDERDECK. Schauspiel trifft auf Figurentheater. Und auch die aktuelle kulturpolitische Diskussion findet ihren Weg in das Stück. Premierenabend ist der 27. März 2015.
"Jedwedes Übel ist ein Zwilling", so heißt es im "Zerbrochnen Krug" von Heinrich von Kleist. Und so heißt es wohl auch in der kulturpolitischen Debatte, die nicht nur unser Volkstheater betrifft. Ein Grund mehr, die aktuelle Situation auch im künstlerischen Geschehen auf der Bühne widerzuspiegeln und mit den eigenen Mitteln zu kommentieren – wie bereits in dieser Spielzeit bei Molières Komödie DER GEIZIGE geschehen.
Als eines der meistgespielten Stücke ist DER ZERBROCHNE KRUG längst echtes Volkstheater-Gut geworden. Heinrich von Kleist beschreibt zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine menschliche Tragödie im Gewand eines Lustspiels. Der zerbrochne Krug wird zum Sinnbild einer gebrechlichen Welt, in der Gesetz und Ordnung, Wahrheit und Lüge in ein Missverhältnis geraten und sich einfache Menschen aus dem Volk der Willkür einer höheren Instanz hilflos ausgeliefert sehen.
Dorfrichter Adam, gespielt von Steffen Schreier, sitzt einer Gerichtsverhandlung vor, deren Fall er selbst verursacht hat. Während eines nächtlichen Amüsements und einer anschließenden Prügelei im Hause Rull zerbrach der Dorfrichter einen Krug und versucht nun, die Schuld von sich zu weisen. Eine skurrile Gerichtsverhandlung folgt: Als Richter soll er über seinen Fall entscheiden und zugleich nicht als Täter entlarvt werden. Frau Marthe Rull, Besitzerin des wertvollen Kruges, beschuldigt Rupprecht, den Verlobten ihrer Tochter Eve, das gute Stück zertrümmert zu haben. Dieser streitet alles ab und vermutet einen Fremden als Missetäter, der beim Fliehen aus Marthe Rulls Haus den Krug zerbrach. Ein Netz aus Lügen, Mutmaßungen und Unterstellungen spinnt sich vor den Zuschauern auf der Bühne des VORDERDECKS. Zunehmend verwickelt sich der Richter jedoch in Widersprüche. Und dann gibt es noch einen Schreiber namens Licht, der, nomen est omen, Erhellendes zu diesem kniffligen Fall beiträgt. Am Ende wird der Richter zum Angeklagten. Und Recht triumphiert über Unrecht.
In der Inszenierung von Theaterintendant Sewan Latchinian werden Schauspiel und Figurentheater miteinander verbunden. Und so erwacht Dorfrichter Adam zu Beginn des Stücks als Marionette in den Händen von Puppenspieler Karl Huck (alias Kleist) zum Leben. Der Impresario der Seebühne Hiddensee ist seit dieser Spielzeit in zahlreichen Figurentheaterinszenierungen – sowohl für Kinder als auch für Erwachsene – auf der neu entstandenen Puppenbühne im HECK des Volkstheaters zu erleben. Kleist selbst schrieb wenige Jahre nach dem "Zerbrochnen Krug" einen "Aufsatz über das Marionettentheater", der zur Verflechtung beider Sparten in der Volkstheaterinszenierung inspirierte.
Gespielt und inszeniert wird auf dem VORDERDECK. Die Ausstattung übernimmt Stephan Fernau, der am Volkstheater bereits durch die Bühnen- und Kostümgestaltung des Johnson-Stücks INGRID BABENDERDE bekannt ist.
Das VORDERDECK als Spielort erlaubt den Zuschauern durch die geringe Tiefe des Raumes, das Bühnengeschehen aus nächster Nähe zu erleben und die durch gegenseitige Schuldzuweisungen angespannte Situation der Gerichtsverhandlung nahezu mitzufühlen. Die Dramatik, der Witz und die dem Stück inhärente kritische Haltung gegenüber bürokratischer Willkür und einem verdrehten Verständnis von Recht und Gesetz werden somit spürbar auf das Publikum übertragen und lassen Parallelen zum aktuellen politischen Geschehen zu.
Es verspricht also spannend zu werden. Da bleibt nur noch zu sagen: hingehen, ansehen!
ANTJE BENDA
Mit: Puppenspiel – Karl Huck, Alexander Wulke, Steffen Schreier, Ulrich K. Müller, Undine Cornelius, Sithembile Menck, Ulf Perthel, Johannes Moss, Andrea Stache-Peters, Sandra-Uma Schmitz
Premiere 27.03.2015 · 19.30 Uhr · VorderdecK