Seit Jahren hat Axel Hacke einen Wortstoffhof eingerichtet, in dem er Wörter sammelt: falsche, unsinnige, unbrauchbare. Sie kommen zum Beispiel aus Speisekarten, Gebrauchsanweisungen, Tourismusprospekten. Aus den Lautsprechern der ICE-Züge gleich in ganzen Sätzen. Selbst in seriösen Zeitungen findet man den schönsten Unsinn. E-Mails sind eine einzige Fundgrube. Mancher hingeworfener Politikersatz ist der reine Restmüll, ein anderer dann wieder von rarer Schönheit – auch hier gilt es, wie auf dem Wertstoffhof, das Verbrauchte von Noch-Brauchbarem zu trennen. Gerade das Falsche ist das Schöne an der Sprache. Das ist Axel Hackes Credo, und davon erzählt keiner so wie er.
Im Interview mit ALEX HACKE
0381-MAGAZIN: Herr Hacke, Sie waren bei der Süddeutschen Zeitung erst Sportreporter und dann politischer Reporter. Wie kann denn so was passieren?
ALEX HACKE: Als ich in diesem Beruf anfing, wollte ich zwei Dinge: politischer Reporter werden und bei der Süddeutschen Zeitung arbeiten. Aber nach dem Studium gab es bei der Süddeutschen nur eine freie Stelle, in der Sportredaktion. Da habe ich gedacht, ich mache das erstmal, in die politische Redaktion werde ich dann schon irgendwie wechseln können. So kam das auch. Aber die drei Jahre im Sport waren mit die schönsten Jahre in dem Beruf. Nirgendwo lernt man soviel wie in einer Sportredaktion: Tempo, Beherschung aller Stilformen, Nervenstärke unter Zeitdruck. Außerdem reist man viel, und das mochte ich auch schon immer.
0381-MAGAZIN: Sie haben mittlerweile eine wöchentliche Kolumne mit dem Titel "Das Beste aus meinem Leben" im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Es gibt drei menschliche Hauptfiguren und eine vierte, den melancholischen Kühlschrank Bosch. Er ist der nächtliche Gesprächspartner der ersten Hauptfigur, des Erzählers. Haben Sie persönlich auch ein gutes Verhältnis zu Ihrem Kühlschrank?
ALEX HACKE: Das beste nur denkbare! Mit seinem Kühlschrank solte sich jeder gut stellen, er kann viel für einen tun.
0381-MAGAZIN: In Ihrem Buch "Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück", aus dem Sie am 16. April in Rostock lesen, geht es um falsches Hören, also um akustische Missverständnisse, mit denen die Betroffenen oft lange Zeit unbekümmert zusammenleben, weil sie sich einen eigenen Reim darauf machen. Auf Ihrer Internetseite haben Sie einen "Wortstoffhof" eingerichtet, eine Art Müllsammlungs- und Wiederaufbereitungsanlage für Wörter, Sätze und Satzfetzen, die falsch, unsinnig oder unbrauchbar sind. Was fasziniert Sie so am Fehlerhaften?
ALEX HACKE: Das Fehlerhafte ist einfach zutiefst menschlich, und alles Menschliche interessiert mich. Und das Fehlerhafte in der Sprache ist oft unglaublich komisch und sehr poetisch. Nehmen Sie das italienische Hotel, das in seinem Propekt auf deutsch einen "Aufstellungsort des Seins" anbietet, was immer das sein mag. Das ist doch großartig! Da wollte man doch immer schon mal hin, oder? Ich liebe diese Dinge, und ich mag es nicht, dass man, wenn es um die deutsche Sprache geht, immer von Sprachpflege, von Rechtschreibung, von falsch und richtig redet. Das klingt nach Pflegeheim und Juristerei, das ist saft- und kraftlos. Ich will mich aber mit meiner Sprache amüsieren und ihre Kraft spüren, und genau darum geht es im "Wortstoffhof". So heißt übrigens mein neues Buch, und aus dem lese ich in Rostock auch und vor allem, neben dem "Wumbaba".
0381-MAGAZIN: Sie haben bislang vor allem lustige Texte geschrieben. Können Sie sich vorstellen, auch mal ernst zu werden?
ALEX HACKE: Ich habe vor allem, aber nicht nur lustige Texte geschrieben. Lesen Sie vielleicht mal "Nächte mit Bosch" oder das "Deutschlandalbum", da sind Texte drin, die sind kein bisschen lustig. Es ist nur so, dass die eher komischen einfach die bekannteren Texte sind. Die lese ich halt auch im Theater selbst immer am liebsten. Also: Ich kann mir nicht nur vorstellen, ernst zu werden, ich bin es immer wieder.
0381-MAGAZIN: Herr Hacke, wir würden gern neben dem Interview Ihre Kurzbiographie abdrucken. Auf Ihrer Internetseite haben Sie aber gleich 5 Versionen im Angebot (normal, gelangweilt, Mitleid erregend, Thomas-Mann-Stil, Thomas-Bernhard-Stil). Welche davon sollen wir nehmen?
ALEX HACKE: Nehmen Sie den à la Thomas Bernhard, da habe ich beim Schreiben am meisten Spaß gehabt.
0381-MAGAZIN: Und welche Variante könnte als nächstes kommen?
ALEX HACKE: Vielleicht mal einer im Sprachduktus von Angela Merkel?
Von ULRIKA RINKE
INFO:
Axel Hacke (geb. 1956 in Braunschweig) lebt heute als Schriftsteller und Journalist in München. Seine Bücher, zu denen mehrere Bestseller (Der weiße Neger Wumbaba, Der kleine Erziehungsberater, Der kleine König Dezember) gehören, wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. In jeder Sonntagsausgabe des Berliner Tagesspiegel erscheint seine Kolumne Und was mache ich jetzt?. Für das SZ-Magazin schreibt er seit dessen Gründung 1990, angefangen mit dem berühmten Kleinen Erziehungsberater über zahlreiche Reportagen und Porträts bis zu Das Beste aus meinem Leben, das 1997 das erste Mal erschien und seitdem in keiner Ausgabe gefehlt hat.