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Literatur

„Wir leben ehrlicher, härter und näher am Dreck“ Jugendszenen in Deutschland

Jan 09
„Jugendszenen und Authentizität“ ist das zweite Buch von Frank Lauenburg, 25 Jahre, ehemaliger Lehramtsstudent aus Rostock. Der Titel kommt etwas sperrig daher und die wissenschaftliche  Analyse ist für Nichtsoziologen äußerst schwer zugänglich. Der Theorieteil ist jedoch vergleichsweise schmal. Der Hauptteil des Buches ist um so interessanter, denn da kommen die Mitglieder der Jugendszenen direkt zu Wort. Punks, Skinheads, Metaller, Psycho-Billies oder Jesus Freaks erzählen von ihren Wurzeln, ihrer Lebensart, Vorurteilen und Klischees. Der Autor lässt die Aussagen der Jugendlichen bewusst unkommentiert und überlässt ein Urteil dem Leser. Dieser erhält somit einen lebhaften Eindruck der Vielfalt deutscher Jugendszenen. Nachfolgend nun verschiedene Auszüge aus dem Buch.


"Punk:

Ein gemeinsames Ziel des Punk als Gegenbewegung zum als ungerecht empfundenen Klassensystem erscheint fragwürdig, wenn man bedenkt, dass die soziale Herkunft eben nicht eindeutig der Arbeiterschicht zuzuordnen ist – viele Punk Musiker gehörten der Mittelschicht an. Trotz alledem bildeten die sozialen Probleme einen zentralen Nährboden für den Punk von 1976. Musikalisch war Punk eine Abwehrreaktion auf den pompösen Rock der 1960er Jahre. [...] Punk  war die Aussage: Jeder kann spielen, auch wenn er nicht spielen kann. In diesem Zusammenhang ist eine Do-It-Yourself-Mentalität das wohl zentralste Element des authentischen Punk – kreiere deine eigene Umwelt, deine eigene Kleidung, deine eigene Musik – sei unabhängig vom Mainstream, sei du selbst.

Lauenburg: Wie lang bist Du jetzt schon in der Punk Szene?

Tanja (17): So richtig drin bin ich, seit ich circa 13 bin. Meinen Einstieg? Weiß ich nicht so genau, ist irgendwie einfach so passiert. Fand von klein an Hundehalsbänder beim Menschen schon toll und hab mir schon seit der dritten Klasse die Haare immer bunt gefärbt und irgendwann hab ich dann mal raus gefunden, dass es so was wie Punks gibt. Hab sie in der Straßenbahn getroffen. Punk? Für mich ist es einfach das zu tun, was mir gefällt. Sich nichts vorschreiben lassen, sein eigenes Ding durchziehen.

Lauenburg: Hast Du vielleicht Vorstellungen, die das Leben verbessern könnten?

Tanja: Anarchie wär' das Beste, damit man alles noch mal richtig von vorne machen kann, aber dazu wird es ja eh nicht kommen. Geil wär' auch richtig autonom zu leben, also mit jeder Menge Leute. Aber so wie in einem Dorf, dass man sich selbst versorgt. Man baut sich selbst Nahrung an, die man braucht oder hat, zum Beispiel wie auf'm Bauernhof, mit Vieh und so.

Lauenburg: Kann die Szene des Punk politisch festgelegt werden?

Tanja: Nein. Sie hat sich zu sehr in alle möglichen Richtungen entwickelt. Es gibt unpolitische, linke, extrem linke und auch die so genannten Nazi-Punks.


Straight Edge

Straight Edge bezeichnet einen Lebensstil, der primär im Bereich des Punk und Hardcore angesiedelt ist. Der Begriff geht ursprünglich auf die Band „Minor Threat“ zurück, die sich 1980 gründete. […] In ihren Texten beschrieben sie ihre Abneigung gegen den damals verbreiteten Umgang mit Drogen in der Punkszene, denn dieser hatte die Szene erheblich gelähmt. Inhaltlich wird oft darüber gestritten, wie weit der Verzicht gehen müsse, wobei ein Nein zu Alkohol und Drogen meist als Minimalkonsens gilt.

Lauenburg: Du lebst erst seit etwa fünf Jahren Straight Edge? Kannst Du Dich an ein bestimmtes Ereignis erinnern, welches diesen Denkprozess ausgelöste hat?

Marc (25): Sechs Jahre! Na ja, zuerst haben mich natürlich Menschen beeinflusst, die SXE gelebt haben. Dann hab ich mir halt Gedanken gemacht. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich alles zu 100 Prozent mitbekommen möchte. Seien es positive oder negative Ereignisse. Ebenso seh' ich gerade Alkohol als Mittel an, um Menschen ruhig zu halten.
Bei vielen Menschen ist es ja echt so, dass sie mit vielen Dingen unzufrieden sind. Ihrem Job, vielen Entscheidungen, die der Staat trifft, mit ihrem Leben. Aber solange sie schön ihr Feierabendbier trinken können, sich am Wochenende gepflegt abschießen können, kommen sie nicht auf den Gedanken was zu ändern.
Das ist ja traurigerweise auch bei vielen Leuten innerhalb der linken Szene so. Viele geben sich damit zufrieden alternativ auszusehen und sich zu betrinken. Geht es aber dann darum selbst aktiv zu werden und sei es nur in der kleinsten Form, sagen wir mal an einer Demo teilzunehmen, dann sind viele einfach zu fertig vom Vortag, als sie saufen waren, und bleiben im Bett liegen.


Gothic

Etwa Anfang der 1980er Jahre entwickelte sich aus dem Punk und New Wave die Gothic Szene. Ihr starker Drang zum Individualismus erschwert grundsätzlich den Versuch der Vereinheitlichung – so gibt es Romantisierungen des Mittelalters, die Suche nach ewiger Jugend, ein Abfinden mit dem Tod als Teil des Lebens, Orientierungen an alten Mythen und Sagen, ein Neuaufleben heidnischer Kulte oder auch das Fliehen in die innere Befindlichkeit – das Spektrum innerhalb der Szene ist sehr weit.

Lauenburg: Was genau bedeutet es für Dich, ein Gothic zu sein?

Tilo (22): Für mich bedeutet Gothic sein, ein Mensch zu sein, der sich gerne mit anderen vielschichtigen, eigensinnigen, kreativen, intelligenten und nachdenklichen Individualisten umgibt, trifft und auseinandersetzt. Klar gibt’s die definitiv nicht nur in der Schwarzen Szene, aber meinem persönlichen Empfinden nach ist die Dichte an solchen Leuten hier relativ hoch – Tendenz abnehmend – und ich fühle mich damit wohl.
Es bedeutet für mich, dass ich unserer bunten Zivilisation nicht viel abgewinnen kann, da ich diese insgesamt für verlogen, verantwortungslos, rücksichtslos, ja irgendwie trostlos und viel zu selbstverliebt empfinde […]. Außerdem verliert unsere Gesellschaft beständig an Menschlichkeit, Emphatie und Gefühlswärme. Die Leute werden irgendwie zombiesk.

Lauenburg: Gibt es eine Art allgemeines Ziel, welches der Großteil der Gothics anstrebt?

Tilo: Das denke ich, insbesondere mit Hinblick auf die große Heterogenität der Gruppe, nicht. Zumindest kein fest umrissenenes oder definierbares Ziel. Also nicht den Kapitalismus beenden und durch etwas humaneres ersetzen – übrigens heißt für mich die Abkehr vom Kapitalismus nicht gleich die Hinwendung zum Kommunismus. Systeme sind nicht vom Himmel gefallen, sondern erdacht und der Kapitalismus ist nicht der Weisheit letzter Schluss, kann er gar nicht.


Skinhead

Die Skinhead Szene ist eine der ältesten Jugendszenen, die heute noch existiert. Entstanden ist sie in den Arbeitervierteln Englands am Ende der 1960er Jahre. Die Synthese aus weißen (Hard-) Mods und den schwarzen Rude bildete den Stil der Skinheads; so gab es für sie nichts geileres, als fröhlich tanzbare Ska-Musik, gepaart mit aggressivem Territorialverhalten.
Nach der schnellen Kommerzialisierung der Punk-Bewegung um 1978 wechselten viele Punks zu den Skinheads. Nebenher vollzog sich ebenfalls ab den 1970er Jahren eine starke Politisierung nach rechts, sodass in den 1990ern, besonders im deutschsprachigen Raum, Skinhead oft als Synonym für rechte Jugendliche stand. Trotz alledem bildeten sich spätestens in der Mitte der 1980er Jahre Strukturen wie RASH (Red and Anarchist SkinHeads), SHARP (Skin-Heads Against Racial Prejudice) und auch Rückbesinnungen auf den sogenannten Spirit of '69 oder den rein spaßorientirten Oi!

Lauenburg: Wo siehst Du Dich selbst politisch und wo sollten Skinheads sich verorten?

Jan (23): Also wenn ich jetzt mit dem Zeug anfange, dass die ersten Skins doch auch antirassistisch waren  und ja immer mit den schwarzen Rude Boys rumhingen und deshalb sollte man auch so sein, dann komme ich mir bald schon selbst wie ein Szene-Polizist vor. [...]
Wie schon erwähnt halte ich keinerlei Kontakte zu rechten oder linken Skins. Nazis und das ganze braune Pack sind mir ein Dorn im Auge. Klar sind mir dann Linke lieber, aber von denen werde ich als Rechtsaußen beschimpft, nur weil sie nicht akzeptieren können, dass ich nicht meine Meinung offen durch Patches, Buttons oder ähnliches mit mir rum trage oder es laut heraus posaune.
Ich bin Skinhead, das heißt ich bräuchte mich theoretisch gar nicht zu rechtfertigen, was ich bin.

Lauenburg: Lässt sich heute überhaupt noch von einer einheitlichen Skinhead Szene sprechen?

Ralf (20): Sicherlich lässt sich immer noch von einer Skinhead Szene sprechen, dennoch spielen die individuellen Orientierungen eine wichtige Rolle. Die einen pflegen konsequent den alten „Way of Life“ aus den 60ern, andere orientieren sich stärker am Oi! der 80er und wieder andere, wie zum Beispiel ich, möchten sich überhaupt nicht festlegen. […] Ob sie nun mehr Ska, Skinhead Raggae oder Oi!-Musik hören, ob sie lieber eine smarte Harrington oder eine prollige Bomberjacke tragen, das alles bleibt einem selbst überlassen und genau diese Vielfalt schätze ich auch an der Szene.


Jesus Freaks

Als Initiator der Jesus Freaks gilt Martin Dreyer, ein Hamburger Punk, der von der Straße geholt und durch eine evangelische Gemeinde missioniert wurde, andere folgten ihm. Oft konnten die Neu-Missionierten mit den starren Strukturen wenig anfangen. […] 1994/95 wurde ein offizieller gemeinnütziger Verein, der Jesus Freaks International e.V., gegründet. Das generelle Ziel der Jesus Freaks ist weniger, eine neue Kirche zu gründen – ihre Grundlage bildet weiterhin die Bibel – aber sie wollen eben ihre eigenen Wege zu Jesus und Gott finden und diese unabhängig von vorgegebenen Strukturen leben dürfen. Trotz alledem werden die Jesus Freaks von Außenstehenden bis heute teilweise als Sekte verstanden.

Lauenburg: Was genau bedeutet es für Dich ein Jesus Freak zu sein?

Alex (23): Jesus Freak ist vor allem ein Ziel für mich. Radikal für Gott einzutreten und ihm nachzufolgen, also ihn zum unumstößlichen Mittelpunkt meines Lebens zu machen.[...] Es geht darum zu begreifen, dass in der totalen Abhängigkeit zu Gott die größte Freiheit liegt, egal wie paradox das klingen mag.

Lauenburg: Wie stellt sich allgemein das Verhältnis der Jesus Freaks zu nicht orientierten Jugendlichen dar?

Alex: Das Verhältnis zu Nichtchristen ist bei den Jesus Freaks sicherlich unproblematischer und natürlicher, als man es oft in Kirchen und Gemeinden findet. Einerseits geht es darum, für Gott zu brennen und auch Zeugnis zu geben, andererseits gehen viele Jesus Freaks von dem Ansatz aus, dass dein Leben das beste Zeugnis ist und nicht irgendwelche Worte.


Die rechte Jugendszene

Jugendliche besitzen zum Teil rechtes Gedankengut; das ist keine neue Erscheinung. Neben dem eher geringen Anteil aktiver und organisierter rechter Jugendlicher, mit dann meist manifestiertem rechten Weltbild, ist das Gros der rechten Jugendlichen unorganisiert und besitzt dann oft eher latent rechte Einstellungen[...].
(Interviewt werden Aussteiger aus der Szene)

Lauenburg: Was war Ihr genaues Ziel, welches Sie in der rechten Szene verfolgt hatten?

Jan Zobel (30): Eins meiner größten Ziele war das Befriedigen meiner eigenen Eitelkeit. Das Gefühl ein gefährlicher Staatsfeind zu sein ist was sehr Schmeichelndes. Barometer meiner Wichtigkeit war die Häufigkeit der Nennung meines Namens im Verfassungsschutzbericht oder in den einschlägigen Antifa-Blättern. Nennungen in Tageszeitungen oder gar in den großen wöchentlichen Magazinen bzw. im Fernsehen kamen schon fast einem Ritterschlag nahe.

Lauenburg: Können Sie beurteilen, wie sich die rechte Jugendszene innerhalb der letzten Jahre verändert hat?

Jan Zobel: Es gibt, und das ist sehr neu, viele Schnittstellen zu anderen Jugendkulturen. Die Szene bekommt neue Impulse durch andere Szenen. Das ist zwar sehr spannend zu beobachten, aber auch sehr gefährlich. Glatze + Bomberjacke = Nazi, diese Rechnung geht heute überhaupt nicht mehr auf. Es gibt inzwischen fast nichts mehr, was es nicht in der Szene gibt. […] Sogar der Staat hat dazu beigetragen, dass die Szene vielfältiger wurde. Auflagen bei Demonstrationen nach dem Motto: „Keine Bomberjacken, keine Uniformen, keine Stiefel“ haben dazu geführt, dass die Szene eine optische Auflockerung erfahren hat. Aus der Not wurde eine Tugend. Die Polizei hat heutzutage große Schwierigkeiten, Neonazis von ihren Gegendemonstranten zu unterscheiden. […] Die rechte Szene genießt diesen Widerspruch und sie freut sich über die Aufregung, die darum gemacht wird.

Lauenburg: Unterschied sich das Engagement der Geschlechter in der rechten Jugendszene?

Jan Zobel: Damals schon. Frauen waren bei uns nur als Anhang akzeptiert. […] In der Altherren-NPD bis Mitte der 90er Jahre hatte die Frau ihren Platz am Herd. Die neue NPD zeigt gerne mal ihre wenigen Vorzeigefrauen in der Öffentlichkeit. Das liegt meiner Meinung nach an der Atmosphäre innerhalb der Partei, die in den meisten Fällen nach wie vor sehr frauenfeindlich ist. Wie gesagt, das Ganze ist aber im Wandel. Es gibt mittlerweile Mädel-Kameradschaften, die ganz und gar nicht ins antiquierte Frauenbild der alten Nazis passen. Die Frauen sind zunehmend an vorderster Front mit dabei. Nichtsdestotrotz bleibt die Szene männerdominiert, das liegt am hierarchischem Denken und an der Dumpfheit der Ideologie und ihre Träger."






Frank Lauenburg

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