Angeln bedeutet für viele Menschen Einssein mit der Natur. Damit einher geht die Rückbesinnung auf Werte wie Ruhe, Geduld und Demut, die für das Erreichen vollkommenen (Angel-)Glücks unerlässlich sind. Der gebürtige Rostocker Andreas Möller nimmt in seinem Roman "Traumfang" den Leser mit an die Mecklenburgische Seenplatte und auf eine Zeitreise in eine Jugend im Herbst der DDR.
0381 traf Andreas Möller und sprach mit ihm über Perspektivverschiebungen, Entschleunigung und den Begriff Heimat.
0381: Mit „Traumfang“ haben Sie vor kurzem Ihren ersten Roman veröffentlicht.
Einen Roman, der das Angeln thematisiert. Ein ungewöhnliches Thema für ein erstes Buch. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Andreas Möller: Es gibt zwei Ebenen, eine davon ist die autobiografische. Ich habe als Kind und Jugendlicher viel geangelt und auch an Wettkämpfen im Verein teilgenommen. Nach einer längeren Pause habe ich das Angeln vor einigen Jahren wieder entdeckt, die alten Glasfiberangeln und Rileh Rex-Rollen aus dem Schuppen geholt. Und ich stelle mir im Buch die Frage, warum das so ist.
Darüber hinaus hat mich das Verhältnis gerade der Städter zur Natur schon immer interessiert. Auch in den Medien findet seit einiger Zeit eine Thematisierung dessen statt, was man Entschleunigung nennen könnte. Dieses Phänomen ist ein Spiegelbild einer sich immer schneller verändernden Welt, in der so Mancher im Stillen die Bremse ziehen möchte.
Angeln transportiert wie kaum etwas anderes das Gefühl der Langsamkeit und lebt von den einfachen Erfahrungen. Es ist in unserer durchtechnisierten Welt eine sehr ursprüngliche Form der Kontaktaufnahme zur Natur, was ich spannend finde.
0381: Der Titel ihres Romans lautet „Traumfang“ und lässt dem Leser die Chance
zur eigenen Deutung. Einerseits handelt das Buch tatsächlich vom
Fischen, andererseits erzählen die Geschichte eines Heranwachsenden. Wie
nah an der Realität ist Sie Ihr Werk?
Andreas Möller: Autor und Werk, lernt man bereits in der Schule, gehören strikt getrennt. Dahinter steckt der Versuch, dem Text eine gewisse Autonomie einzuräumen.
Das Beschreiben bestimmter Situationen ist für mich ohne einen Grundstock an Erfahrungen aber nicht denkbar. Insofern ist die Doppeldeutigkeit des Titels durchaus beabsichtigt. Geht es neben dem Angeln doch auch um die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit in den 1980er Jahren, um Bands wie Depeche Mode und The Cure, den Flohmarkt an der Mole in Warnemünde, wo man Poster und Plaketten kaufen konnte.
Auch die Familie spielt eine wichtige Rolle. Angeln ist im Buch und auch sonst eine große Vater-Sohn-Kiste, bei der man ohne viele Worte ein gemeinsames Terrain findet. Das schwingt in vielen Geschichten mit.
0381: Leser Ihres Buches brauchen sich nicht vor Anglerlatein zu fürchten.
Vielmehr scheinen Sie in zweierlei Hinsicht einen Urlaubsroman
geschrieben zu haben. Ihren eigenen autobiographischen, aber auch einen
für Mecklenburg-Reisende. Welche Rolle spielt das Thema Sehnsucht in
diesem Buch?
Andreas Möller: Das Buch endet mit der Rückkehr des Protagonisten an den See der Kindheit, wobei tatsächlich eine Menge Nostalgie mit reinspielt. Aber die Sehnsucht, zu den alten Schauplätzen eine ähnlich unschuldige Beziehung wie als Kind aufzubauen, funktioniert nicht.
Dennoch gibt es die Erfahrung, dass ein Teil von dem, gegen das man mitunter ankämpft, ganz von selbst zurückkehrt. Auch das ist wohl normal, dass man sich das, was einen geprägt hat, stärker bewusst macht.
0381: „Traumfang“ wirkt wie eine Hommage an Mecklenburg, das wiederum als
Sinnbild für Langsamkeit gilt. Sie selbst leben in Berlin, haben
dort sowie in Heidelberg und Rom studiert. Wie nehmen Sie unser Land
wahr und welche Wertigkeit haben Rostock und Mecklenburg in Ihrem Leben?
Andreas Möller: Ich denke, es ist kein Zufall, dass es auch waschechte Berliner an die Küsten oder die Seenplatte zieht. Man sucht die Rückbindung zu dem, was man im Alltag nicht hat.
Ich lebe seit zwölf Jahren in Berlin. Ungeachtet persönlicher Freundschaften und der Beziehung zu meinen Eltern sind mir die Wochenenden zu Hause sehr wichtig, wobei die Landschaft eine zentrale Rolle spielt. Vielleicht klingt das trivial, aber mein Bild von Mecklenburg ist neben den Menschen, die ich seit Jahren kenne, vor allem durch sehr intensive landschaftliche Eindrücke geprägt.
0381: Das Land Mecklenburg-Vorpommern leidet seit Jahren unter der Abwanderung
junger Menschen. Dem entgegen zu wirken, versucht man, sogenannte
„Exil-Mecklenburger“ zurück ins Land zu holen. Wie interessant wäre ein
Rückkehr für Sie?
Andreas Möller: Ich bin beruflich und privat in Berlin angekommen, habe aber schon oft darüber nachgedacht, wieder in den Norden zu ziehen. Insofern ist nichts in Stein gemeißelt.
0381: Der Junge im Roman ist ein leidenschaftlicher Petrijünger. Wann haben
Sie zuletzt geangelt und mit welchem Erfolg?
Andreas Möller: Zu Ostern, jedoch leider ohne Erfolg. Dafür durfte ich einen anderen Angler mit dem Kescher unterstützen, der einen Karpfen an der Stipprute hatte. Eigentlich machten wir die ganze Zeit dasselbe und benutzten auch denselben Köder (ein Maiskorn). Aber irgendwann war seine Pose weg, während sich bei nichts gerührt hatte.
Auch das finde ich faszinierend: So sehr man sich auch den Kopf zerbricht, seine Strategie verändert oder sich mit dem neuesten Material eindeckt – was dann am Wasser tatsächlich passiert, ist eine andere Geschichte.
0381: In „Traumfang“ wird ja nicht nur am Rande das Heranwachsen in der DDR
thematisiert. Wird es eine Fortsetzung geben bzw. planen Sie bereits ein
neues Buch?
Andreas Möller: Eine Fortsetzung wird es nicht geben, aber eine Idee für ein neues Buch habe ich. Das Thema Geschichte, die im Hintergrund von Episoden mitschwingt, dürfte dann ebenfalls eine Rolle spielen. Aber bis es soweit ist, fließt noch viel Wasser die Warnow hinunter.
Andreas Möller, 1974 in Rostock geboren, studierte Geschichte und Germanistik und promovierte über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Literatur. Zeitgleich war er mehrere Jahre als freier Journalist tätig, vor allem für das Deutschlandradio Kultur. Seit 2005 arbeitet er als Projektkoordinator einer Wissenschaftsorganisation in Berlin. Sein Romandebüt „Traumfang“ schildert die achtziger Jahre und die Wendezeit in Mecklenburg aus der Perspektive eines jungen Anglers. Es ist im Ullstein-Verlag erschienen.
Christian Rutsatz
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