Unser Spielmannopi ist verstorben! Das Rostocker Original verstarb im Alter von 98 Jahren. 2006 hatten wir uns länger mit Michael Tryanowski unterhalten dürfen.
Den wenigsten dürfte er unbekannt sein, dieser alte Mann, der, oftmals völlig unbeeindruckt von widrigen Witterungsbedingungen, Tag für Tag in der Kröpeliner Straße oder am alten Strom mittels Akkordeon und einem seltsam anmutenden Sammelsurium anderer Instrumente maritimes Flair verbreitet und den Soundtrack zum Shoppen und Flanieren kreiert.
Wer ist dieser Stadtmusikant, der auch über die Grenzen der Hansestadt
hinaus einen soliden Bekanntheitsgrad genießt? 0381 hat ein echtes
„Rostocker Original“ ins Verhör genommen. Michael Tryanowski ist am
12.12.1919 in einem kleinen Dorf bei Schwerin geboren und wächst
als Waise auf. Seine Mutter verunglückt tödlich als er vier Jahre alt
ist, seinen leiblichen Vater kennt er nicht. Die Schule besucht er in
Bad Kleinen, dort zeigt sich schon fru?h sein besonderes Talent. „In
unserem kleinen Dorf war es oft sehr langweilig, so kam ich zur Musik“,
berichtet der 86-jährige. Er spielt Mundharmonika, Flöte und
Zieharmonika, später auch Akkordeon, Saxophon und Schlagzeug. „Man kann
mich wohl ein Multitalent nennen“, erzählt Tryanowski nicht ohne eine
Spur von Stolz. Den letzten Feinschliff erhält der angehende Musiker am
Schweriner Konservatorium im Bereich Volksmusik. In den Jahren 1951-53
kristallisiert sich dort nicht nur das Akkordeon als bevorzugtes
Instrument heraus, Tryanowski wird zudem Landesmeister im Gewichtheben.
„Ich war zwar in der leichten Klasse, aber trotzdem ziemlich
durchtrainiert“, schmunzelt er und betont: „Musik und Sport sind mein
Leben.“ Nach Rostock verschlägt es Tryanowski das erste Mal bereits kurz
nach dem Krieg. „Es hat mir gleich gefallen, besonders Warnemünde und
die See“, meint er. Obwohl er viel rumgekommen ist und man ihn und seine
selbstkonstruierte
„Teufelsgitarre“ neben Schwerin, Wismar und Kiel auch in Hamburg und
Berlin kennt, hat der Mann, der heute in der Augustenstraße wohnt, nie
ernsthaft darüber nachgedacht die Stadt zu verlassen. „Hier sind meine
Kinder“, sagt er und meint damit seinen Sohn und zwei Enkel. Seine
Reisen
hat der rüstige alte Mann mittlerweile jedoch eingeschränkt.
„Musik ist zwar eine internationale Sprache, aber man ist keine zwanzig mehr.“, lacht Tryanowski.
Dennoch möchte er nach eigener Aussage noch lange nicht darauf
verzichten, „Menschen Freude zu bereiten“. „Besonders den Kindern“,
plaudert er weiter. „Ich spiele gerne Kinderlieder und wenn sie dann
singen und tanzen, ist das auch meine Freude.“ An Geld hat Tryanowski
bei seinem Tun nie vorrangig gedacht. Auf die Frage, ob sich so ein Tag
in der Fußgängerzone auch fi nanziell rentiere, meint er nur lapidar:
„Man kann zufrieden sein“, er sei es durchaus gewohnt viel umsonst zu
tun. In der DDR beispielsweise war nur wenig positive Resonanz zu
verzeichnen. „Straßenmusikanten wurden nicht geduldet“, weiß er zu
berichten. „Aber auf Brigade- und Volksfesten, da brauchten sie uns
wieder.“ Tryanowski hat sich Zeit seines Lebens nur selten vereinnahmen
lassen. Anfragen von diversen Shantychören und das Angebot einer Tour
von Berlin bis nach Kopenhagen lehnte er ab. Diese Unabhängigkeit ist
ihm wichtig. „Die Hauptsache ist immer Musik, ich will mich nicht mit
anderen ärgern“, betont er.
Auf die abschließende Frage nach Wünschen für die Zukunft, antwortet der
Mann, dessen Gesundheitsrezept viel Sport und den konsequenten
Verzicht auf Tabak beinhaltet, ohne lange zu überlegen: „Dass ich weiter
so fit bleibe und meine Lieder vor allem jetzt auf dem Weihnachtmarkt
zum Besten geben kann.“
ULRIKE NIMZ
*0381 MAGAZIN 2006
ULRIKE NIMZ
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