Bühne
HAUSKA TAVATA, ROUVA SAARI. Anu Saari zur Finnischen Theaterwoche
Apr 09
Anu Saari, Regisseurin aus Finnland, ist seit August 2008 Schauspieldirektorin am Volkstheater Rostock. Zuletzt inszenierte sie „Die Möwe“ von Anton Tschechow.
0381: Frau Saari, warum gerade ein finnisches Theaterfestival?
Saari: Nun, erstens sind wir durch das Wasser, die Ostsee, verbunden. Rostock ist für mich die einzige deutsche Stadt, die durch die Fährverbindung eine direkte Grenze mit Finnland hat. Auch haben Finnen und Norddeutsche, besonders die Mecklenburger, Ähnlichkeiten, was ihre Lebensumstände betrifft. Sie waren nie besonders reich, hatten immer mit der Natur zu kämpfen. Und sie haben ihre Hafenstädte wie Rostock, Helsinki oder Turku. Ein Festival gibt uns die Möglichkeit, uns besser kennen zu lernen und spannende Gastspiele wie die Theatergruppe "Quo Vadis" einzuladen, die in einer Jurte vor dem Großen Haus auftreten werden.
0381: Was unterscheidet finnisches und deutsches Theater?
Saari: In Finnland gibt es zur Zeit 60 Theater und vier Millionen Theaterbesucher bei fünf Millionen Einwohnern. Finnland hat eine sehr starke Bindung zum Theater, die Menschen haben immer sehr viel Theater gespielt.
0381: Wie ist das zu erklären?
Saari: Nun ja, in Finnland hatten wir die Finanzkrise schon viel früher, das wissen die meisten Deutschen gar nicht. Es war in den 80er Jahren, als Steuerzahler die finnischen Banken retten mussten. Aber als Konsequenz dieser Krise hat man eben nicht an Kultur gespart, sondern begriffen, dass im Kampf um die internationalen Wirtschaftsstandorte die Kultur ein ganz wichtiger Bestandteil ist. Man braucht Kultur, um in der globalen Konkurrenz zu bestehen.
0381: Welche Themen werden in Finnland auf die Bühne gebracht?
Saari: Es geht viel um die Frage, wie man als Mensch seinen Platz in der Welt findet. Ob das die 50 jährigen betrifft, die alles besitzen und trotzdem nicht zufrieden sind oder die Jugend, die das Gefühl hat, im falschen Ort geboren zu sein, wie das in „Populärmusik aus Vittula“ zum Ausdruck kommt. Im finnischen Theater gibt es viel Mut zum Gegenwartsstück. Über 50 Prozent der Stücke, die aufgeführt werden, sind neu. Da haben wir in Rostock ein bisschen Nachholbedarf.
0381: Sie leben seit mehreren Jahren in Deutschland. Welches Bild haben die Deutschen von den Finnen?
Saari: Die meisten wissen kaum etwas über Finnland. Entweder haben sie das Gefühl, alle tragen Pelzmützen und sitzen hinter dem Ofen oder sie denken, dass es sich um ein sehr modernes Land handelt, allerdings mit vielen Mücken.
0381: Und umgekehrt?
Saari: Da gibt es das übliche Klischee von Bratwurst, Bier und Dirndl. Aber das ändert sich, vor allem bei den jungen Leuten.
0381: Der Schauspieler Charly Hübner (Jurymitglied des diesjährigen FiSH-Festivals) sagt, dass Theater zu viele Dinge einfach nur kopiert. Theater hätte die Aufgabe, Neues zu erfinden, inhaltlich und ästhetisch. Wie empfinden Sie das?
Saari: Ich lade ihn herzlich ein, unsere Möwe-Inszenierung von Tschechow anzuschauen! Denn dort geht es um das Thema, dass sich nicht alles nur um Form dreht, sondern darum, ob man etwas zu sagen hat. Ich teile seine Auffassung in dem Sinne, dass man den Mut haben muss, Neues zu wagen. Aber jede Generation hat das Recht auf ihren Hamlet, ihren Tschechow, ihren Sommernachtstraum. Wissen Sie, es gehört zu unserem Generationsvertrag, dass wir uns verpflichten, jungen Menschen diese Dinge nahe zu bringen. Genauso wie es zu unserem Auftrag gehört, ihnen das Lesen beizubringen.
Birke Scheffler
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