Der Polizeiruf 110 ist legendär. Über 37 Jahre flimmert er nun schon über die Bildschirme, erst im Fernsehen der DDR, dann nach der Wende weiterproduziert von der ARD. Nun wird unsere Heimatstadt Rostock neuer Drehort. Das meldete der NDR im November. Nach 15 Jahren habe Schwerin als Schauplatz der Verbrechensbekämpfung ausgedient. Alle Mörder sind gefangen, alle Geschichten erzählt. Ausgedient hat damit auch das Ermittlerduo Hinrichs und Tellheim ( Uwe Steimle und Felix Eitner). Die fassten die Nachricht äußerst unterschiedlich auf.
Während Felix Eitner in seiner Absetzung kein Problem sah, nahm es Uwe Steimle persönlich: Verärgert teilte er der Bild am Sonntag mit: „Ich glaube, dem neuen Programmdirektor Volker Herres passt meine politische Haltung nicht.“ Steimle glaubt an einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und seiner Unterstützung für seinen alten Schauspielerkollegen Peter Sodann. Dieser kandidiert für Die Linke für das Amt des Bundespräsidenten. Thomas Schreiber, Leiter des NDR Programmbereichs Fiktion und Unterhaltung sagt dazu: "Die Unterstellung von Herrn Steimle, der NDR erteile ihm Berufsverbot, ist Unsinn. Schließlich haben wir ihm bei anderen Projekten eine weitere Zusammenarbeit angeboten. Die Erwartung eines Schauspielers, eine Beschäftigung als Polizeiruf-Kommissar sei - wie im wirklichen Leben - eine Anstellung auf Lebenszeit, die kann der Polizeiruf und kann der NDR allerdings nicht erfüllen."
Der Polizieruf 110 hat eine lange Tradition. 1971 ging er zum ersten Mal mit dem „Fall Lisa Murnau“ im DDR-Fernsehen auf Sendung und avancierte in kurzer Zeit zum Liebling der Zuschauer. Anders als beim westdeutschen Gegenstück „Tatort“ wurde bei den „Polizeirufen“ eher selten gemordet. Häufiger ging es um Erpressung, Diebstahl oder Jugendkriminalität. Besonders oft wurde das Problem des Alkoholmissbrauchs thematisiert. Meist bei den Täterfigurten. Alkoholismus war in der ostdeutschen Gesellschaft ein häufiges, in den Medien aber vielfach tabuisiertes Problem. Die Folge „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ hatte demzufolge eine beachtliche Resonanz nicht nur beim Fernsehpublikum. Auch Süchtige, Angehörige und Ärzte waren erfreut und erleichtert, dass das Problem des Alkoholismus erstmals so offen und ungeschminkt eine breite Öffentlichkeit erreichte. Der Film wurde seitdem in Therapieeinrichtungen in der gesamten DDR gezeigt.
Die Regisseure beim Polizieruf hatten in ihrem Rahmen Möglichkeiten, Missstände im Land mehr oder weniger offen anzusprechen. In manchen Jahren jedoch, je nachdem, in welche Windrichtung die DDR Kulturpolitik ihr sozialistisches Fähnchen hängte, war auch der Polizeiruf von der Zensur betroffen. Folgen wurden gekürzt oder überhaupt nicht ausgestrahlt. So geschehen in der Episode „Schuldig“, die das allseits bekannte, aber totgeschwiegene Problem der Wohnraumknappheit thematisierte. Der Regisseur und Schauspieler Rolf Römer musste daraufhin die Arbeit an den Nagel hängen, die Staatsführung erteilte ihm ein Dreh- und Auftrittsverbot.
Nachdem der Deutsche Fernsehfunk nach der Wende seine Türen schloss, wurde der Polizeiruf 110 vom MDR und ORB weiterproduziert. Konflikte des politischen und kulturellen Umbruchs wurden zu häufigen Motiven. In der Folge „Unter Brüdern“ trafen dann zum ersten Mal die Kommissare aus dem „Tatort“ Schimanski und Thanner auf die „Polizeiruf“ Ermittler Fuchs und Grawe.
Seit 1994 war der Ort der Verbrechensbekämpfung Mecklenburgs Landeshauptstadt. 15 Jahre schlichen die Kommissare Hinrichs und Tellheim um die Häuser Schwerins und klärten Fälle auf. Ab 2009 sollen diese Häuser nun in Rostock stehen. Dann gehen die Dreharbeiten los. Thomas Schreiber vom NDR meint dazu: „Mecklenburg-Vorpommern ist so bunt und vielfältig - das wollen wir zeigen. Die Hafenstadt Rostock ist das wirtschaftliche Zentrum des Landes und eignet sich perfekt für viele Kriminalgeschichten." Der OZ sagte er weiter in einem Interview: „Die Altstadt, der Hafen, die Werften, die Neubaugebiete, Warnemünde, Hohe Düne, die Traumstrände bis hin nach Hiddensee und Rügen, mit der Fähre bis nach Skandinavien – ich bin sicher, hier können spannende Krimis angesiedelt werden. Und auch die Menschen, die Mecklenburger als auch die Vorpommern, werden sich wieder finden.“
Wer das neue Ermittlerpaar sein wird, ist noch nicht bekannt. Uwe Steimle ist auf jeden Fall nicht mehr mit dabei. Was schade ist, hat doch der charmant verschrobene Kommissar Hinrichs irgendwie schon Kultstatus erreicht. Steimle hatte schon lange Kritik an der Serie geübt, schreibt die Bild am Sonntag. Zu einem Gespräch sei Volker Herres, Programmdirektor der ARD, jedoch nie bereit gewesen. Deswegen sei er „entfernt“ worden, so Steimle im Interview mit der BamS. Volker Herres weist die Kritik von sich: „Rollen enden, das ist normal, große Schauspieler bleiben. Und Uwe Steimle ist ein bemerkenswerter Darsteller, dessen Begabungen ich zu schätzen weiß.“
Wie auch immer, wir freuen uns auf den Polizeiruf 110 aus Rostock.
Birke Scheffler
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