Anfang Juli hatte die Kirche Margot Käßmann zur Diskussion über 500 Jahre Reformation nach Neubrandenburg eingeladen. Im Podium nahm auch Claus Ruhe Madsen Platz, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Rostock. Warum?
Weil der Däne über die Reformationsgeschichte seines Landes berichten konnte? Weil er als Unternehmer über die Ethik des ehrbaren Kaufmannes referierte? Oder liegt es einfach daran, dass sich die lockere Eloquenz des Kopenhageners in Mecklenburg-Vorpommern herumgesprochen hat? "Ich weiß das nicht so genau", sagt Claus Ruhe Madsen. "Aber ich glaub schon, dass es weniger darum ging, einen IHK-Präsidenten in der Runde zu haben." Sondern einen Mann, der mit einem lachenden Auge und einem Gespür für Ironie auf die deutschen Eigenheiten blicken kann. Claus Ruhe Madsen ist bekannt dafür, die Waage halten zu können zwischen der sympathischen Leutseligkeit Skandinaviens und der trockenen Seriösität, von der die deutschen Chefetagen geprägt sind.
Der Unternehmer zog in Ostdeutschland die Kette "Möbel-Wikinger" auf und lädt als "Wikinger – gestrandet" auch in diesem Jahr als Gastronom zu Waffeln und Eis an den Warnemünder Strand ein. Sein neuester Coup ist die Wikinger-"Butik" im Rostocker Hof. "Das ist ein seltener Glücksfall", sagt Claus Ruhe Madsen. "Ich kann ganz aktiv zur Belebung der Rostocker Innenstadt beitragen – einem erklärten Ziel der IHK. Und das Geschäft läuft – wider Erwarten – recht gut. Ich hätte das nie probiert, wenn der Laden nicht vorher wochenlang leer gestanden hätte." Der skandinavische Akzent war es auch, der die Radiowerbung für Möbel Wikinger seinerzeit so sympathisch einfärbte – Claus Ruhe Madsen sprach die Spots selbst ein.
Schon bei seinem Amtsantritt als Präsident der IHK im April 2013 war Claus Ruhe Madsen hart gefordert. Der Geschäftsführer der Rostocker IHK war wegen Unregelmäßigkeiten zurückgetreten und Angela Merkel hatte sich Anfang Mai zum Wahlkampf-Besuch auf der IHK-Hauptversammlung angekündigt. Claus Ruhe Madsen bewältigte beides: Er konnte in der Pressekonferenz klar zu der schwierigen Situation der IHK Stellung nehmen und mit der Kanzlerin respektlos-freundlich von der Bühne frotzeln. Bei diesem Auftritt in der Terminal-Halle des Flughafens Laage rieben sich die Wirtschaftsvertreter aus MV verwundert die Lachtränen aus dem Augenwinkeln: Das geht? Ein Unternehmer, der zusammen mit der Kanzlerin einen Saal zum Lachen bringen kann? Kann nicht schaden, diesen Mann heute auch im Mittelstandsbeirat des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel zu haben.
Inzwischen vertritt Claus Ruhe Madsen seit über einem Jahr die deutschen IHKs in Dänemark – als Vizepräsident der dänisch-deutschen Handelskammer (AHK). Dort sitzt ihm mit Jens-Peter Saul als AHK-Präsident ein Deutscher gegenüber, der sich als CEO des dänischen Rambøll-Konzernes für die Dänen in Deutschland einsetzt. "Das ist zwar eine verrückte, aber doch sehr fruchtbare Konstellation", sagt Claus Ruhe Madsen. "Wir kennen beide die Gegebenheiten und die Vorurteile der Deutschen und der Dänen" In ein paar Wochen wird er für die Wirtschaftsvereinigung "MVinvest" in Arhus eine Rede halten – natürlich darüber, wie Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern zusammenrücken können auf dem europäischen Markt: "Wir sind uns viel ähnlicher, als wir denken."
Der leidenschaftliche Radsportler wohnt mit seiner finnischen Frau und seiner Tochter in Warnemünde – und blickt manchmal mit Wehmut hinüber in seine Heimatstadt Kopenhagen. "Dort gibt es inzwischen Fahrrad-Highways, auf denen man schnell und ohne Ampelkreuzungen ins Stadtzentrum kommt", erzählt er. "Wir müssen uns neben der Stadtautobahn mit Radwegen rumschlagen, die gefährlich die Fahrbahn kreuzen und voller Buckel sind. Da muss sich endlich was tun: Bessere Fahrradwege holen auch mehr Radler." Er weiß aber auch, dass in der Fahrradwelthauptstadt Kopenhagen die Dinge nicht nur zum Besten stehen: "Dort hat sich ein dauernder Nervenkrieg entwickelt zwischen den Radfahrern, die sich wie selbstverständlich immer mehr Platz auf der Straße nehmen. Und den Autofahrern, die manchmal kaum noch vorankommen. Vor allem ausländische Autofahrer warne ich vor den sehr selbstbewussten dänischen Radfahrern."
Claus Ruhe Madsen lebt seit über 20 Jahren in Deutschland, doch er ist Däne geblieben. Und er braucht hin und wieder die Olsenbandenfilme, mit denen er in Kopenhagen groß geworden ist. "Aber die muss ich auf dänisch sehen", sagt er lächelnd. "Auch die Ostdeutschen kennen den echten Egon nicht. Den gibt‘s nur auf dänisch."
Frank Schlößer