Zu Rostock gehört der Shanty, wie die Möwen nach Warnemünde. Und jeder hat von uns schon einen Shanty-Chor am Alten Strom gesehen. Bärtige Männer in Matrosenhemden und Halstuch. Sie sind nicht nur ein touristisches Highlight, sondern präsentieren eine lange Tradition. Der Shanty ist eine musikalische Liebeserklärung an die Wellen, viele langen Stunden auf dem Wasser und Heimweh. Einer der bekanntesten Rostocker Chöre ist "De Klaashahns", ihr erster Vorsitzender ist Willi Kurth. Wir sprachen mit ihm über ein halbes Jahrhundert Shanty in der Hansestadt.
0381-Magazin: 50 Jahre "De Klaashahn", wie waren die Anfänge?
Willi Kurth: Im Jahre 1964 war es eine Gruppe von Seglern in Warnemünde, die in ihrer Freizeit gerne Seemannslieder sangen und so kam es, dass sie eine Gesangsgruppe gründeten und im gleichen Jahr auch ihren ersten Auftritt hatten. Später wurde daraus der Shantychor "De Klaashahns".
Den Namen haben die Altvorderen gewählt, weil "Klaashahn", in früherer Zeit ein Spottwort für die Warnemünder war, und das kam so: Zu der genannten Zeit also vor hundert und mehr Jahren, wenn es Winter war und die Fischer nicht zum Fang auf See konnten, weil alles zugefroren war, haben sie, die damals in großer Zahl vor der Küste überwinternden Eisenten (Klaashahns [weil es die Zeit um Sankt NiKLAAS war]) gefangen und gegessen. Auch haben sie die Klaashahns nach Rostock gebracht und dort verkauft, so kam es, dass sie bald "De Klaashahns" genannt wurden.
0381-Magazin: Wie hat der Chor die Wende gemeistert und es sogar bis zum Sommerfest des Bundepräsidenten geschafft?
Kurth: Natürlich war die Wendezeit schwer, gab es doch plötzlich keine Trägerbetriebe mehr, also musste man selbst für das Überleben des Chores sorgen, Geld verdienen usw. Aber der Chor überzeugte mit sehr guten Gasangsleistungen, sodass es Auftritte gab, das ist bis heute so geblieben, davon zeugt der Kulturpreis der Hansestadt Rostock, welcher den "Klaashahns" verliehen wurde. Eben diese Leistungen waren es, die uns zwei mal die Einladung zum Bundespräsidenten nach Berlin brachten.
0381-Magazin: Sind die Chorproben die einzigen Anlässe, zu denen sich der Chor trifft oder gibt es weitere wichtige Termine im Jahr für die Mitglieder?
Kurth: Die Chorproben sind sehr wichtig, denn ohne sie ist keine Leistung zu erbringen, aber wir haben im Jahr ca. 60 Auftritte an den verschiedensten Orten in Warnemünde und Rostock, aber auch überregional. Dazu kommt, dass wir fast jährlich eine Chorreise unternehmen, so waren wir schon in Polen, Tschechien, Östereich, Russland, Frankreich, Skandinavien, aber auch über den "großen Teich" nach Chicago hat uns die Musik geführt. Im Jahre 2013 hat uns die Chorreise für drei Tage nach Dresden geführt, wo wir in zwei sozialen Einrichtungen kostenlose Weihnachtskonzerte gegeben haben. Aber auch für das Körperliche wurde gesorgt, so haben wir tolle Stunden im Sophienkeller und auch auf der Festung Königstein verbracht. Der Höhepunkt war unser gelungener Auftritt in der Frauenkirche.
0381-Magazin: Was unterscheidet den Nordsee-Shanty vom Ostsee-Shanty?
Kurth: Es gibt keine Unterschiede zwischen Ost- und Nordseeshanty, der Shanty ist international. Entstanden ist er ja in der Zeit der Segelschifffahrt, wo der Shantyman einen Text vorgesungen hat und die Crew diesen dann wiederholte. Somit wurde für einen Gleichklang in den Arbeiten (Segel setzen, Deck schrubben usw.) gesorgt.
0381-Magazin: Immer weniger Rostocker fahren zur See und die Technik hat den Job des Matrosen stark verändert. Haben sie Sorgen, dass den „Klaashahns" irgendwann der Nachwuchs fehlen wird?
Kurth: Shantys und Seemannslieder singen ist schon lange nicht mehr von der Seefahrt abhängig, die Zeiten der Segelschifffahrt sind eben vorbei, dennoch werden auch heute sicher auf den Schiffen Semannslieder gesungen, sind diese doch oft sehr gefühlvoll und Heimweh wird es wohl immer geben. Ich denke, dass es schon immer Gesangsvereinigungen gab und daran wird sich nichts ändern, man sollte aber bemüht sein, auf die Bedürfnisse des Publikums einzugehen und auch die modernere, in diese Richtung weisende Musik mit in das Repertoire aufzunehmen. Bange ist mir nicht, es wird auch ein 100. Jubiläum der "Klaashahns" geben, da bin ich sicher; nur leider ohne uns!
0381-Magazin: Dürfte ich als Frau auch bei Ihnen mitsingen?
Kurth: Es gibt viele Shantychöre, in denen auch Frauen singen, allerdings haben die "Klaashahns" in Ihrer Satzung verankert, dass dieses bei uns nicht möglich ist. Die Erklärung liegt darin, dass es früher auf Schiffen keine Frauen gab, also Shantys nur von Männern gesungen wurden. Dennoch haben wir "Klaashähne" auch eine "Klaashenne" dabei, unsere Monika! Dazu bedurfte es allerdings eines Vorstandsbeschlusses, und unsere Moni singt nicht, sondern spielt sehr gut Akkordeon! Unser musikalische Leiter Klaus Papenfuß, ein begnadeter Musiker, ist immer um den "guten Ton" bemüht, er leitet unsere Proben und sorgt dafür, dass wir immer optimale Ergebnisse erziehlen.
Anne Roloff