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Richard Siegmann – Der vergessene Ehrenbürger

Richard Siegmann – Der vergessene Ehrenbürger

Nov 13

Er ist der gute Geist in der Historie Rostocks und seine Geschichte war lange verschollen. Nur wenige wussten noch um seine Verdienste. Richard Siegmann war ein Mensch, der Rostock in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts in vielen Bereichen maßgeblich beeinflusst hat. Seiner Religionszugehörigkeit ist der traurige Umstand zu verdanken, dass man ihn seit den späten 30er Jahren degradierte, finanziell schröpfte, deportierte und schlussendlich auch eliminierte.

Als während der Bombardierungen dann auch die Archive der Rostocker Straßenbahn AG, deren Direktor er viele Jahre war, den Flammen zum Opfer fielen, war es um die Geschichte des Richard Siegmann beinahe geschehen. Erst mit der aufwendig recherchierten Publikation von Jan-Peter Schulze ist es nun möglich, das Leben eines Menschen nachzuvollziehen, der vielleicht sogar seinen Platz in der Riege der Rostocker Ehrenbürger verdient hätte.
 Es war eine schwere Zeit für die Rostocker Straßenbahn AG. Die Hyperinflation der frühen 20er Jahre hatten einen immensen Preisanstieg zur Folge, buchhalterische Grundsätze wurden gänzlich aus den Angeln gehoben. Ein Ticket, welches im Jahr 1922 noch 3 Mark kostete, vervielfachte seinen Preis binnen eines Jahres auf unglaubliche 100.000 Mark! Es war sicher auch ein wenig Glück dabei, das die RSAG an dieser Zeit nicht zugrunde gegangen ist. Einen nicht unerheblichen Anteil kann jedoch auch dem damaligen Direktor zugeschrieben werden.
Im Jahr 1898, im zarten Alter von gerade einmal 26 Jahren machte sich der aus Berlin stammende Richard Siegmann von der pulsierenden Hauptstadt auf den Weg in die Provinz. Dem familiären Umstand geschuldet, dass dessen Onkel die Mehrheit an der Vorgängergesellschaft "MSEAG" (Mecklenburgischen Straßen-Eisenbahn Aktiengesellschaft) besaß, konnte der junge Kaufmann Richard den dortigen Direktorposten übernehmen. In einer Zeit, in welcher den "Jungspunten" noch einen große Skepsis entgegengebracht wurde, ließ sich der neue Direktor als gleich einen markigen Schnauzer stehen, kleidete sich konservativ. Während heute ohne Gnade der zerrinnenden Jugend hinterher gehetzt wird, war damals noch das Alter und die Erfahrung das höhere Gut. Wie sich doch die Zeiten ändern.
Folglich musste sich der junge Siegmann auch erst einmal beweisen - und das tat er: Die damals noch mit Pferden betriebene Straßenbahn wurde zügig dahingehend modernisiert, dass die Vierbeiner durch elektrische Wägen abgelöst wurden. Der Direktor selbst war es, der bei der Jungfernfahrt den Wagen durch die Straßen Rostocks lenkte. Auch das Streckennetz wurde ausgebaut. Das privatwirtschaftliche betriebene Unternehmen wuchs: So konnte, verglichen mit dem Jahr 1908, das Betriebsergebnis sechs Jahre später mehr als verdreifacht werden.
Doch nicht nur als Direktor der späteren RSAG machte sich Siegmann einen Namen. Einer Vielzahl von Vereinen stand er vor, engagierte sich früh für den Tierschutz und erkannte vielleicht als einer der ersten, das der Tourismus in dieser Region der Schlüssel zum wirtschaftlichen Wachstum der gesamten Region werden kann. Die in diesem Zusammenhang gegründeten Verkehrsvereine und einer darauf folgenden verbesserten Vermarktung der Region und den touristischen Destinationen (auch im Ausland) trugen maßgeblich zu einer immer weiter steigenden Gästezahl bei. Einzig der erste Weltkrieg tat den positiven Entwicklungen einen Abbruch und es dauerte mehr als ein Jahrzehnt, bis die Verhältnisse sich wieder normalisierten.
Die Biografie Siegmanns weist an einigen Stellen weiße Flecken auf. Über den Beginn seines Lebens ist ebenso wenig bekannt, wie über dessen Ableben. Ähnlich verhält es sich mit der Zeit um den ersten Weltkrieg. Nach dessen Beendigung engagierte sich Siegmann auch wieder auf der politischen Bühne (seit 1913 war er Mitglied im städtischen Rat). Und auch die Neuordnung des Tourismus-Marketings - wie es sich heute nennt - wurde in den Jahren nach der Hyperinflation auch durch sein Wirken wieder in Angriff genommen und ausgebaut.
Der oft als weltmännisch beschriebene Siegmann, dessen gesellschaftliche Stellung über Jahre eine überaus angesehene war, sah sich jedoch auch immer öfter mit einer Erscheinung des damaligen Zeitgeistes konfrontiert: Antisemitischen Anfeindungen. Und auch wenn er weiterhin und unbeirrt die treibende Kraft war, was die Innovationen bei der RSAG betraf (den Ausbau des Streckennetzes über die neuen Buslinien und die spätere Umstellung der Busse auf Holzgas-Antrieb), so musste Siegmann im Jahr 1935, nach Erlass der Nürnberger-Gesetze seinen Posten aufgeben. Sogar das ihm nach 37 Dienstjahren zustehende Ruhegeld wurde ihm durch die entsprechende Gesetzgebung reduziert.
Die Gesellschaftlichen Abende in der Siegmannschen Villa am Schillerplatz, bei denen sich das Who is Who der geistigen und wirtschaftlichen Elite Rostocks traf, gehörten bald der Vergangenheit an. Selbst das über die Jahre aufgebaute Netzwerk vermochte nicht, dem Zeitgeist und der damit einhergehenden Entwicklung entgegen zu wirken. Siegmann kehrte dem liebgewonnenen Rostock den Rücken und zog zurück nach Berlin. Doch die Zeiten verschlechterten sich noch weiter. Immer höhere Abgaben musste die jüdische Bevölkerung - also auch Siegmann - zahlen. Der Betrag des verkauften Hauses am Schillerplatz musste gar auf ein Sperrkonto eingezahlt werden. Die Novemberpogrome verursachten deutschlandweit einen Millionenschaden - ebenso in der Siegmannschen Wohnung.
Es folgten verschiedene Umsiedelungen, Pfändungen, Vermögensschätzungen und weitere Schröpfungen. Ein Blick auf die damaligen Prozesse, gerade bei dem ehemaligen Straßenbahndirektor, macht deutlich, wie sehr es vielleicht gar nicht um Judenhass, sondern vielmehr um wirtschaftliche Ausbeutung ging. Und als dann die letzte Reichsmark an selbiges übergegangen war, so wurden die Juden - in Lager eingepfercht - auch noch als Arbeitskraft missbraucht. Richard und dessen Frau Margarete wurden am 17. März 1943 mit dem 4. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Es dauerte nur sieben Monate bis die Kräfte des Mannes am Ende waren, der in Rostock so viel gestaltet und verändert hat, dessen Tatendrang unerschöpflich war. Seine Frau folgte ihm nur einen Monat später. Nahezu die gesamte Familie Siegmanns starb in jenen Jahren. Am Ende blieb ihm noch nicht mal mehr seine ihm gebührende Existenz in der lokalen Geschichte. Ausgelöscht - zumindest beinahe.
Im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Elektrifizierung der Straßenbahn, gedachte man wieder des einstigen Pioniers. Die RSAG gründete die Richard Siegmann Stiftung, mit dem Ziel gemeinnützige Projekte zu unterstützen und damit die städtischen Entwicklung zum Guten zu beeinflussen, ganz wie es der Namensgeber viele Jahre tat. Und vielleicht erinnern ja in einigen Jahren nicht nur ein Straßenname und ein Stolperstein an die Verdienste des ehemals unbekannten Helden. Vielleicht bereichert sein Name ja auch einmal die Liste der städtischen Ehrenbürger. Es wäre zumindest eine längst fällige Geste.

PAUL FLEISCHER


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