Seit Ende August spielt Victor Agali für Hansa Rostock. Mal wieder! Bereits 1998 wurde Victor Okechukwu (der von Gott geschaffene) Agali von den Rostockern verpflichtet.
Damals war Ewald Lienen noch Trainer bei den Hanseaten, und dieser wollte den jungen Stürmer, den Herbert Maronn von Olympique Marseille holte, zunächst gar nicht haben. Doch Lienens Stern bei Hansa sank nach einer erfolgreichen Saison, in der er mit einer jungen Mannschaft fast einen UEFA-Cup-Platz erreicht hatte, und Victor schaffte den Durchbruch. Drei Spielzeiten absolvierte Agali in Rostock, machte 66 Spiele und schoss dabei 17 Tore. Keine Sensationsquote, doch für einen jungen Spieler nicht schlecht. So waren es wohl auch weniger seine Tore, als vielmehr seine Eleganz und Effizienz, mit der er, trotz oft kantig und ungelenk wirkender Bewegungen, den Ball abschirmte, und sein Durchsetzungswille. Agali galt als jung, wild, manchmal unbeherrscht und stark - ein Rohdiamant. So wunderte es wenig, dass andere Vereine auf den Stürmer aufmerksam wurden. Etwas mehr Verwunderung löste die Ablösesumme von 5,1 Millionen Euro aus, für die der FC Schalke 04 das Rennen um das nigerianische Talent machte. Diese Summe ist bis heute die Rekordablöse für die Ostseestädter.
Bei den Knappen fasste Victor recht schnell Fuß, und obwohl er dort auf namhafte Konkurrenz (Sand, Mpenza, Mulder) traf, machte er gleich in seiner ersten Saison 22 Spiele, wenn auch überwiegend als Einwechselspieler. Weiterhin spielte er in der Champions League und holte den DFB-Pokal. Agalis Schalker Erfolgstraum schien wahr zu werden, war er doch in der folgenden Saison trotz nur 20 Einsätzen mit sieben Toren bester Schalker Torschütze. Doch in seinem dritten Jahr im Pott lief es nicht mehr so gut für Agali. Die Leistung stagnierte und da Sand und und Mpenza relativ verletzungsfrei blieben, kam er nur auf 12 Einsätze. Da Agali, der seine Karriere einst beim FC Jasper Nitel in Lagos begann, ein sehr stolzer Mann ist, war er in jener Zeit wohl auch recht schwierig im Umgang, Da wundert es wenig, dass er sich weder zu Bayer Leverkusen noch in die Schweiz ausleihen ließ, wie die Schalker es gerne getan hätten. Nach Ablauf seines Vertrages in Gelsenkirchen stand Agalis Rückkehr nach Rostock zur Debatte, doch die sportliche Perspektive und die Tatsache, dass seine Frau und Töchterchen Eva in Frankreich lebten, waren der Grund , warum Victor nicht an die Ostsee, sondern an die Cote d‘Azur zum OGC Nizza mit dem deutschen Trainer Gernot Rohr wechselte. Doch irgendwie stand sein Engagement in Nizza unter keinem guten Stern. Das könnte auch die Überschrift für die darauffolgenden Stationen sein: crazy Vereine wie Kayseri Erciyesspor (2005-8/2006) und MKE Ankaragücü (9/2006-1/2007) wurden kurzzeitig Agalis Arbeitgeber. Doch mit Beginn des vergangenen Jahres endete Zeit in der Türkei. Zerwürfnisse mit den Trainern und ausstehende Gehaltszahlungen begründeten Agalis Weggang. Zurück nach Deutschland, wo er seine erfolgreichste Zeit hatte, lautete das Ziel. Und so kam es dann auch: kurz bevor er einen Vertrag beim FC Carl Zeiss Jena unterzeichnen sollte, gelang es dem Rostocker Management, Agali wieder an die Ostseeküste zu lotsen. Angesichts eines halben Jahres ohne Verein, wäre die Verpflichtung Agalis sicher auch schon vor dem 4. Spieltag der laufenden Saison möglich gewesen.
Sein Einstand gegen die Borussia aus Dortmund verlief beinahe perfekt. Endlich hatten die Hanseaten eine ballsichere Anspielstation im Sturm. Zweikampfstark und immer anspielbereit präsentierte sich der 29-jährige und scheiterte einmal nur knapp an beiden (!) Pfosten. Leider scheint dieses Spiel ein Omen gewesen zu sein. Denn Agali ist noch immer derjenige, der die Abwehrspieler des Gegners beackert, hohe Bälle annimmt und die Mitspieler ins Spiel bringt.
Und er ist noch immer ohne Torerfolg in dieser Saison!
Ein Umstand, der ihn persönlich am meisten stört. Und den zu ändern, sein Ziel ist. Doch im Verein kommt deshalb keine Unruhe auf. Man weiß, was man an ihm hat: einen Kämpfer, der, genau wie seine Gegenspieler, stets am Rande von Gelben Karten und Platzverweisen agiert, und so Räume für seine Mitspieler zu schaffen sucht. Und so lange dann seine Kollegen treffen...
Von CHRISTIAN RUTSATZ