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Literatur

„Was habe ich eigentlich gemacht, dass die Leute mich boykottieren?“

„Was habe ich eigentlich gemacht, dass die Leute mich boykottieren?“

Nov 07

Berühmte Rostocker gibt’s nicht allzu viele. Seit dem letzten Monat ist es einer weniger: Der Schriftsteller und leidenschaftliche Sammler Walter Kempowski starb nach langer Krankheit im niedersächsischen Rotenburg. Geboren wurde er hier – in der Augustenstraße 118.


Mit der Berühmtheit ist das so eine Sache. Der eine hätte sie gern, dem anderen ist sie zuviel, der nächste erlebt seine eigene Berühmtheit gar nicht mehr, weil es damit erst nach seinem Tod so richtig losgeht.

Bei Walter Kempowski liegt der Fall nicht ganz einfach. Berühmt war er zwar schon, vor allem bei Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe, die man mal das "Bildungsbürgertum" nannte. Mit dem Roman Tadellöser & Wolff, in dem er seine Kindheit und frühe Jugend in Rostock schildert, hatte Kempowski seine Leser gefunden (und mit der Verfilmung 1975 auch die Zuschauer). Neben der Bekanntheit beim Publikum hatte er sich aber immer auch die Anerkennung des Literaturbetriebs gewünscht – also Kritikerlob und natürlich auch den einen oder anderen Literaturpreis.

Beides blieb erst einmal aus. Das wäre eigentlich nicht weiter ungewöhnlich; die meisten Autoren fühlen sich von der Kritik vernachlässigt. Anerkennung ist nun einmal, obwohl denkbar unaufwändig herzustellen, eine Ressource, mit der sparsam umgegangen wird. Das Besondere in Kempowskis Fall ist allerdings, dass die Weigerung, sein Schaffen zur Kenntnis zu nehmen, nicht nur mit literarischer Mode zu tun hatte. Glaubt man dem Autor, dann handelte es sich vor allem anderen um eine inhaltliche und ideologische Ablehnung seiner Texte.

Zwar mochten die wenigsten Kritiker in der Anhäufung und Wiederholung von Sprichwörtern und familiären Redensarten, die Kempowskis eigenwillige Schreibweise prägen, schriftstellerische Qualitäten entdecken. Tatsache ist aber auch: Walter Kempowski war ein unbequemer Zeitgenosse, der sich um political correctness nicht gekümmert hat. Noch in einem seiner letzten Interviews beharrt er: "Man darf ja auch heute nicht seine Meinung sagen in Deutschland. Versuchen Sie das doch mal! Ein Schritt vom Wege, und Sie sind erledigt."

Davon hat sich Kempowski allerdings nie abhalten lassen. Dafür steht zum einen sein Erstlingsroman Im Block, in dem es um die Haft in Bautzen ging. Kempowski war 1948 unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet und zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt worden, von denen er 8 absitzen musste. In dieser Zeit wurde er gefoltert, was in einer bedrückenden Szene im Kempowski-Archiv in Rostock nachgestellt ist. Aufgrund eines erzwungenen Geständnisses wurde auch seine Mutter inhaftiert, verhört und gefoltert – ein Umstand, unter dem Kempowski lebenslang litt. Von solchen unschönen Details, die sich in der literarischen Verarbeitung seiner Haftzeit fanden, wollte man in den intellektuellen Kreisen der damaligen BRD nichts wissen. Viele sahen in der DDR noch das bessere Deutschland, den Gegenentwurf zum kritisch bewerteten kapitalistischen Westen; das Wunschbild eines menschenfreundlichen Sozialismus sollte ungetrübt bleiben.

Genauso wenig entsprach die Beschreibung der bürgerlichen Idylle, die Kempowski in seiner Rostocker Kindheit zunächst erlebt hatte, oder das Thematisieren alliierter Bombenangriffe dem Zeitgeist, zumindest dem innerhalb der literarischen und intellektuellen Weltherrschenden. Man hielt ihn schlicht für einen Reaktionär, der die Vergangenheit verharmlosen wolle.

Mit der Zeit sind dann doch eine Menge Auszeichnungen zusammengekommen – 19 insgesamt, darunter die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock und das Große Bundesverdienstkreuz, aber auch etliche Literaturpreise. Vor allem für das Echolot-Projekt wurde Kempowski endlich auch offiziell anerkannt. Den Anfang machte 1993 Frank Schirrmacher in der FAZ, der das Projekt als "eine der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts" bezeichnete. Das mag für manchen geradezu ironisch wirken, denn das insgesamt zehnbändige Mammutwerk stammt nicht aus Kempowskis eigener Feder und entspricht damit nicht dem gängigen Bild vom Autor literarischer Werke als genialem Schöpfer. Hinter dem Echolot verbirgt sich eine riesige Menge von privaten und öffentlichen Aufzeichnungen fremder, zum Teil anonymer Menschen, die Kempowski in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen hat: Briefe, Tagebücher und Feldpostkarten aus den Kriegsjahren 41, 43 und 45.

Tausende von Stimmen wurden durch seine Sammler- und Herausgebertätigkeit vor dem Vergessen bewahrt. Sie stehen unkommentiert nebeneinander, verbunden allein durch ihren chronologischen Zusammenhang, die Gleichzeitigkeit ihres Entstehens. Die banalsten Lebensäußerungen wechseln sich ab mit privaten Tragödien und subjektiven Momentaufnahmen aus dem Kriegsgeschehen, überzeugte Nationalsozialisten werden ebenso abgebildet wie Mitläufer, Widerständler oder still Verzweifelte. Das Echolot will nichts erklären, es überlässt dem Betrachter selbst ein Urteil, das es ihm durch die Archivierungs- und Veröffentlichungsleistung überhaupt erst ermöglicht. Und endlich sind beide zufrieden, Publikum und Kritik: Denn während das Echolot für den Leser eine einzigartig fesselnde Lektüre darstellt, sehen die Literaturwissenschaftler darin postmoderne Theorien par excellence verwirklicht.

Walter Kempowski hatte angenommen, dass ihn der Tod bei der Arbeit am Echolot überraschen würde. Das ist nicht eingetreten, und tatsächlich konnte der Vielbeschäftigte (der neben seiner Massenproduktion auch noch 30 Jahre lang Grundschullehrer war) noch an einigen weiteren Projekten arbeiten. Sogar nach seinem Tod stehen noch mehrere Neuerscheinungen an.

Berühmt ist der Reedersohn aus Rostock schließlich geworden. Etliche Journalisten, von Edo Reents bis Benjamin von Stuckrad-Barre, haben sich in den vergangenen Monaten noch einmal die Klinke in die Hand gegeben in Kempowskis Wohnsitz in Nartum – für letzte Interviews, nachdem die Krebserkrankung schon fast gewonnen hatte. Und jetzt, nach seinem Tod, haben sich die Feuilletons mit Nachrufen überschlagen. Fast sah so aus, als würde Walter Kempowski doch noch Günter Grass die Show stehlen (der zur selben Zeit seinen Achtzigsten feierte und eine gute Woche lang auch noch mal ordentlich bejubelt wurde: kein Tag ohne Grass-Interview oder Retrospektive auf den Öffentlich-Rechtlichen).

Auch wir würdigen ihn erst posthum, anstatt den Walter Kempowski mal ein paar Monate früher für unsere Rubrik "Du bist 0381" zu interviewen. Gepasst hätte es: In seinen autobiographischen Romanen der "Deutschen Chronik" findet sich das alte Rostock in zahllosen Details wieder. Vieles kann man auch heute noch nachverfolgen, ob auf eigene Faust anhand der Romane oder in einer Stadtführung durch Mitarbeiter des Kempowski-Archivs.

Bei den vielen Rostock-Bezügen in seinem Werk vergisst man fast, dass das Verhältnis zwischen dem Schriftsteller und seiner Geburtsstadt nicht immer ganz unkompliziert war, vor allem zu DDR-Zeiten: Kempowski wurde hier nicht nur 1948 verhaftet, sondern hatte ab 1981 als "Feind des Sozialismus" sogar Einreiseverbot. Mit der Einrichtung des besuchenswerten Archivs im Klosterhof zum Heiligen Kreuz, spätestens aber mit den 2tägigen Feierlichkeiten zu Kempowskis 75. Geburtstag dürfte Entspannung eingekehrt sein.


Von U. R.

 

 

Walter Kempowski (29. April 1929 in Rostock; † 5. Oktober 2007 in Rotenburg (Wümme)) war ein deutscher Schriftsteller. Er wurde vor allem durch seine stark autobiografisch geprägten Romane der Deutschen Chronik bekannt sowie durch sein Projekt Echolot, in dem er Tagebücher, Briefe und andere Alltagszeugnisse unterschiedlicher Herkunft zu collagenartigen Zeitgemälden verarbeitete. Kempowski gilt als einer der bedeutendsten deutschen Autoren der Gegenwart.

 

WALTER KEMPOWSKI ARCHIV
Walter Kempowski war ein Archivar aus Leidenschaft. Im Zusammenhang mit seinem schriftstellerischen Schaffen entstand eine Sammlung, die eine einmalige Dokumentation des Schreibprozesses einerseits und von Geschichte und Geschichten andererseits ist. Bereits 1992 hatte er einen Teil seines Archivs nach Rostock gebracht. Darunter befinden sich zum Beispiel Entwürfe zu den Romanen, Anschauungstafeln zur Werkstruktur, durchschossene Exemplare mit Kempowskis Arbeitseintragungen und verschiedene Ausgaben aus dem In- und Ausland. Ferner besitzt das Archiv zahlreiche Gegenstände, die in den Romanen erwähnt werden: Das von Walter Kempowski gebastelte Modell des Frachters "Konsul", die Bibliothek und das Spielzeug seiner Kindheit, Zigarrenkisten von "Loeser und Wolff", eine Zellenür aus dem Rostocker Untersuchungsgefängnis, hinter der die Mutter gefangen gehalten wurde usw. Die Stadt Rostock verfügt damit über eine einmalige Sammlung, die Literaturfreunde und Geschichtsinteressierte gleichermaßen anspricht.


1 Kommentar zu „„Was habe ich eigentlich gemacht, dass die Leute mich boykottieren?“”


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